Frankfurt - ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger wird das verlustreiche Stahlwerk in Brasilien wohl nicht an den dortigen Partner los. Eine Sprecherin des Bergbauunternehmens Vale aus Rio de Janeiro sagte, das brasilianische Unternehmen wolle an keinem Stahlwerk die Mehrheit übernehmen. Allerdings schloss sie nicht aus, dass Vale, das bereits 27 Prozent an dem ThyssenKrupp-Werk hält, den Anteil aufstockt. Das weltweit zweitgrößte Bergbauunternehmen sieht in den Beteiligungen an Stahlwerken eine Möglichkeit, Nachfrage nach seinem Erz zu schaffen, hält aber am Kerngeschäft Bergbau fest. "Wir wollen kein Stahlkocher werden", hatte Vale-Chef Murilo Ferreira im Mai gesagt.
Die "WirtschaftsWoche" hatte zuvor unter Berufung auf Unternehmenskreise gemeldet, Vale sei bereit, die Stahlschmelze zu übernehmen. In der vergangenen Woche seien Vale-Chef Ferreira und Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff zusammengekommen, um sich über die Verhandlungsposition gegenüber ThyssenKrupp zu einigen. Thyssen hatte Vale als möglichen Käufer selbst ins Spiel gebracht.
Auch Werk in den USA soll verkauft werden
Für das ebenfalls defizitäre Stahlwerk von ThyssenKrupp in Alabama in den USA interessiert sich laut dem Magazin der asiatische Stahlkocher Posco. Doch auch dieser das Vorhaben am Montag verneint. Das Unternehmen denke nicht über einen Kauf der Fabriken in Brasilien und in den USA nach, sagte eine Posco-Sprecherin. "Wir haben kein Angebot für einen Kauf erhalten. Auch haben wir einen Kauf nicht in Erwägung gezogen."
Hiesinger will nach den Milliardenverlusten bei den neuen Stahlwerken die Notbremse ziehen und beide Werke verkaufen. Auch eine Partnerschaft mit einem anderen Unternehmen sei bei den Anlagen möglich, hatte er jüngst gesagt. Am europäischen Stahlgeschäft wolle er aber festhalten. Dort schwächelt die Stahlnachfrage derzeit, weil sich Kunden wegen der unsicheren Konjunkturentwicklung mit den Bestellungen zurückhalten. Bei ThyssenKrupp steht für die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres 2011/12 ein Verlust von rund einer Milliarde Euro in den Büchern.
Pleiten, Pech und Pannen
Die Werke in Brasilien und den USA hatte Hiesingers Vorgänger Ekkehard Schulz vorangetrieben. Die Bilanz sieht düster aus. Pleiten, Pech und Pannen ließen die Kosten explodieren. Die Bau- und Anlaufkosten für beide Werke belaufen sich inzwischen auf insgesamt zwölf Milliarden Euro, der Buchwert liegt zusammen bei sieben Milliarden Euro.
Schulz' Strategie ging nicht auf. Das Werk in Brasilien sollte billig Rohstahl produzieren, der in den USA etwa zu Blechen weiterverarbeitet wird und - mit einem ordentlichen Aufschlag - an die großen Automobilkonzerne verkauft werden sollte. Doch die Lage hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Dank der guten Konjunktur in Brasilien sind dort die Lohnkosten gestiegen. Durch die starke Landeswährung Real werden zudem die Exporte teurer, während in den USA die Nachfrage begrenzt ist, der Preisdruck aber enorm. (APA, 3.6.2012)