Alois Wichtl ist gerüstet. Seit Jahren denkt er mit seinen Mitarbeitern über die Größe von Kübelpflanzen nach, die Terrassen zieren, ohne ihren begrenzten Platz zu sprengen. Sie testen Bäumchen, die auch im Topf reiche Obsternten versprechen, und sortieren Kräuter für Balkonkisterln vor. Der Wunsch nach einem eigenen grünen Flecken schwappt auf die Großstadt über, ist der Chef der Blumenkette Bellaflora überzeugt. Die Leute legten gern selbst Hand an und ließen ihre Kinder nicht mehr im Glauben, dass das Gemüse im Supermarkt wachse.

Die Österreicher lassen sich ihre grüne Daumen mehr Geld denn je kosten. Rund 275 Euro gaben sie fürs Garteln im Vorjahr im Schnitt pro Haushalt aus, nahezu doppelt so viel wie vor zehn Jahren, glaubt Marktforscher Regioplan zu wissen. Samen sind darin ebenso enthalten wie Schaufeln und Gartenmöbel. Kreutzer Fischer & Partner sieht den Gesamtmarkt innerhalb eines Jahres von 358 auf 380 Millionen Euro wachsen und heuer die Grenze von 400 Millionen klar überspringen, Umsätze der Floristen nicht miteingerechnet.

"Null wirtschaftliche Relevanz"

Bei der Bedeutung des urbanen Gärtnerns müsse man jedoch die Kirche im Dorf lassen, meint Handelsberater Andreas Kreutzer. Das sei "ein reines Medienthema" mit null wirtschaftlicher Relevanz. Es gebe schöne Stichproben und Einzelfälle. "Meistens ist es das dann aber auch schon." Für mehr fehle in Städten wie Wien einfach die Infrastruktur. Das beginne bereits beim Wasseranschluss, den mehr als 80 Prozent der neu ausgebauten Dachterrassen nicht hätten.

Quer durchs Land sei der Hang zum Grünen aber offensichtlich. Der Garten werde zum verlängerten Wohnzimmer und diene dabei weniger dem Nutzen als der Zierde, resümiert Kreutzer. Ein üppiges Betätigungsfeld auch für den Handel: Supermärkte jeden Formats überbieten sich mit Angeboten von der Erde bis zu Pflanzenraritäten. Gutzwei Drittel des Gesamtgeschäfts schöpfen Baumärkte und Gartencenter ab.

Viertel der Verkaufsfläche

Baumax etwa räumt bis zu einem Viertel seiner Verkaufsfläche von oft 12.000 Quadratmetern pro Filiale für die blühende Branche frei. Bauhaus, Hornbach und Obi sprangen ebenso früh auf den grünen Zug auf. Bellaflora will ihre 25 Standorte jährlich um zwei ergänzen. Klar spüre er es, wenn Lebensmittelketten einige Container Kräutern oder Schwiegermutterzungen auf den Markt werfen, sagt Wichtl. Da der Kuchen insgesamt wachse, sei aber genug für alle da.

Der grüne Boom habe den Höhepunkt erreicht - die großen Gewinne gehörten jedoch den Baucentern, ist sich Christian Blazek, der Gärtner und Floristen in der Wirtschaftskammer vertritt, sicher. Die kleinen Gartenbetriebe seien Einzelkämpfer. Gute Zuwächse macht er für Spezialisten aus. 9000 tummeln sich allein im Garten- und Landschaftsbau. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 4.6.2011)