Dass sich die rote Bundesspitze nicht vor einem Nein von Oberösterreichs SPÖ-Abgeordneten zum Fiskalpakt fürchtet, empfindet Ackerl als Provokation: "Einfach ungeheuerlich, so etwas zu sagen und sich nicht inhaltlich damit zu beschäftigen."

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STANDARD: Der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SP) sagt, er fühle sich in der Politik oft als "Außerirdischer". Können Sie das nachvollziehen?

Josef Ackerl: Ich kann mich leider in den Kollegen Voves nicht hineindenken. Aber ich habe manchmal in der Politik auch das Gefühl, dass je weiter oben die Hierarchie ist, desto weniger kriegt man mit, wie es denen geht, die dazu beitragen, dass Werte geschaffen werden.

STANDARD: Hat man als roter Landeschef tatsächlich so wenig Macht und wird an der Bundesspitze nicht gehört?

Ackerl: Sagen wir so: Es ist schwierig. Es ist bis jetzt in der SPÖ nicht gelungen, die Organisation und die Strukturen den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Wir bräuchten innerhalb der Partei mehr Zeit für die Kommunikation. Insbesondere die sozialdemokratischen Nationalräte klagen, dass es viel zu wenig Raum für inhaltliche Diskussion gibt. Die werden oft vor vollendete Tatsachen gestellt. Da haben es die roten Landeschefs leichter: Wenn wir uns nicht unmittelbar einbringen können, machen wir es halt medial.

STANDARD: Eigentlich sind Sie ja zu bemitleiden, denn laut Umfragen haben 89 Prozent der Bürger kein Vertrauen mehr in die Politik.

Ackerl: Ich brauch kein Mitleid. Aber es gelingt der Politik nicht ausreichend - nicht nur bei den Regierungsparteien -, authentisch zu sein. Wenn ich Anliegen, die über Unterschriften ins Parlament kommen, nicht ernst nehme, wirkt sich das aus. Das ständige Nachjagen der Umfragen, was gerade wichtig bei den Bürgern ist, führt zu einer Politikverdossenheit. Da fehlen dann fixe Grundwerte.

STANDARD: Wann ist die SPÖ in diese Sackgasse abgebogen?

Ackerl: Als man aufgehört hat, Grundsatzdiskussionen zu führen: Was sind unsere sozialdemokratischen Grund- und Wertehaltungen? Was ist der SPÖ in der Regierungsarbeit wichtig? Mit Standardaussagen wie "Wir koalieren nicht mit der FPÖ" kommt man nicht weiter. Oder bei den Studiengebühren. Da ist die SPÖ dagegen, erntet Applaus. Doch letztlich machen die Universitäten, was sie wollen. Und die SPÖ schweigt dazu. Wenn ich Positionen vertrete, braucht es auch harte Aussagen, wenn Dinge anders laufen.

STANDARD: Braucht es mehr Härte an der Bundesspitze?

Ackerl: Nennen wir es Standfestigkeit. Wir müssen zu unseren Positionen stehen und es braucht eine inhaltliche Diskussion. Darüber nicht zu reden, nur damit man den Koalitionspartner nicht verärgert, ist doch demokratiepolitisch bedenklich.

STANDARD: Fehlt Bundesparteiobmann Werner Faymann der Mut?

Ackerl: Er könnte sich ruhig mehr trauen. Wenn Nobert Darabos sagt, der israelische Außenminister Avigdor Lieberman ist unerträglich, dann ist Darabos kein Antisemit. Es bedeutet auch nicht, dass Darabos sich antiisraelisch verhält. Es ist eine Einschätzung einer Politik, die dazu führt, dass noch immer kein Frieden gelingen kann. Wenn Darabos dann kritisiert wird und es kommt keine Unterstützung von der SPÖ-Bundesspitze, dann ist das ein Problem.

STANDARD: Was hemmt die SPÖ?

Ackerl: Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen jetzt sagen. Ich komm nicht dahinter. Es wird die Einschätzung vertreten, dass ein Konflikt an oberster Regierungsspitze zu viel Schaden anrichtet. Aber es geht nicht um einen Streit, wir müssen mehr diskutieren - und zwar öffentlich wahrnehmbar. Werner Faymann kann durchaus Dinge kompakt darstellen, nur sollte er das öfter tun. Und Werner Faymann muss sich endlich deutlicher deklarieren. Es ist keine Schande, eine andere Meinung zu haben.

STANDARD: Beim Fiskalpakt ist die SPÖ Oberösterreich klar anderer Meinung, und Sie haben mit einem Abstimmungsboykott der Nationalratsabgeordneten gedroht. Die Antwort der Bundesspitze kam prompt: Man fürchte sich nicht vor den Oberösterreichern ...

Ackerl: ... solche Aussagen sind eine unnötige Provokation. Einfach ungeheuerlich, so etwas zu sagen und sich nicht inhaltlich damit zu beschäftigen. Jene, die solche Aussagen tätigen, sollen sich eines merken: Es kommt alles zurück.

STANDARD: Sollte sich die SPÖ - wie Voves vorschlägt - vermehrt neuen Wählergruppen öffnen?

Ackerl: Unsere Türen sind stets geöffnet. Aber man muss sagen, dass die Erfahrungen der SPÖ mit Quereinsteigern bislang nicht gerade glänzend waren. Auch Politik muss man können. Ein Politiker, der ein eindimensionaler Mensch ist, scheitert unweigerlich. Und man darf sich auch nicht von neuen Gruppierungen wie den Piraten treiben lassen. Der Tenor muss sein: Annähern, aber nicht anbiedern. Es ist noch kein politischer Inhalt, wenn ich über Facebook oder Twitter kommuniziere.

STANDARD: Der rote Reformeifer auf Landesebene hat aber offensichtlich doch auch den Bund erfasst. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter etwa kündigte jüngst einen "Zukunftsdialog" an. Was passiert da?

Ackerl: Gute Frage. Denn die Bundespartei als innerparteiliche Reformkraft gibt es gar nicht. Diesen "Zukunftsdialog" kenn ich nur aus der Zeitung. Solche Ankündigungen habe ich schon oft gehört, passiert ist bislang wenig. Aber bei Regierungsparteien ist so etwas immer schwierig - die müssen so viel regieren. Für unseren Reformprozess ' morgenrot' in Oberösterreich hat sich die Bundespartei auf jeden Fall nur sehr maginal interessiert. Dabei laufen die wirklichen Veränderungsprozesse in den Ländern - denn dort ist die Nähe zu den Leuten weit mehr vorhanden. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 4.6.2012)