Berlin/Linz - Am verwichenen Pfingstwochenende wurde ein neuer Weltrekord aufgestellt: Samstagmittag schien die Sonne ungetrübt - und so erzeugten die rund 1,1 Millionen installierten Solarstromanlagen in Deutschland zeitweise bis zu 22,2 Gigawattstunden Strom. So die Bilanz der Übertragungsnetzbetreiber.

40 Prozent des Bedarfs

Laut einem Bericht der deutschen Tageszeitung taz wurden zu diesem Zeitpunkt in Deutschland rund 50 Gigawattstunden Strom verbraucht - das bedeutet, dass mehr als 40 Prozent des Bedarfs direkt aus Sonnenstrom gedeckt wurden. Im Süden Deutschlands wurde zeitweise sogar mehr als die Hälfte des Strombedarfs durch Fotovoltaikanlagen gedeckt. In Summe wurden an diesem Pfingstsamstag wie auch schon am Tag zuvor rund 190 Millionen Kilowattstunden Sonnenstrom produziert. Mehr, als noch vor zehn Jahren in Deutschland im ganzen Jahr produziert wurde.

Dieses hohe Sonnenstromangebot insbesondere zur Mittagszeit führte wieder einmal zu einem Phänomen, das in Deutschland nun immer öfter auftritt: Die Mittagsspitze wird "gekappt". Da zur Mittagszeit im Durchschnitt am meisten Strom verbraucht wird, war der "Mittagsstrom" auch der teuerste. Gibt es aber eine derart hohe Fotovoltaikproduktion, ist der Mittagsstrom auf einmal der billigste im Tagesverlauf.

Dies kann auch an den Ergebnissen der Leipziger Strombörse abgelesen werden: In den vergangenen zwölf Monaten sanken die dort gehandelten Strompreise laut einer Analyse des deutschen Forums für erneuerbare Energien (IWR) um 13,5 Prozent. Und das trotz der abgeschalteten deutschen Atomkraftwerke.

"Neue AKW unwirtschaftlich"

"Die Strategie beginnt aufzugehen", analysiert auch der oberösterreichische Energielandesrat Rudi Anschober (Grüne), der diese Entwicklung seit einiger Zeit beobachtet, im STANDARD-Gespräch: "Fotovoltaik verdrängt Atomenergie vom Markt." Denn diese Verbilligung des Mittagsstroms durch den Sonnenstrom hat auf der anderen Seite zur Folge, dass andere Energieerzeuger genau zu dieser Zeit nicht mehr so viel Profit machen können.

Anschober schließt daraus: "Durch die sinkenden Marktpreise sind neue Atomkraftwerke in Europa völlig unwirtschaftlich." Die aktuelle Entwicklung scheint dies zu bestätigen: Die Stromriesen RWE und Eon sind bereits aus ihren britischen Neubauprojekten ausgestiegen. Die französische EdF fürchtet bei geplanten Reaktoren in Großbritannien eine Kostensteigerung von 40 Prozent auf 8,6 Milliarden je Reaktorblock - und überlegt daher bis Jahresende, ob sie die Projekte umsetzt.

Daher ist es für Anschober auch kein Wunder, dass England allen anderen Ländern voran einen Antrag forciert, mit dem beim nächsten EU-Ratsgipfel Ende Juni Subventionen für neue Atomkraftwerke zugelassen werden sollen.

"Das ist eine Bankrotterklärung der Atomlobby. Damit wird der Ratsgipfel zu einer langfristigen energiepolitischen Weichenstellung - und zur Vorentscheidung über den europaweiten Atomausstieg", sagte Anschober. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 2./3.6.2012)