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Leonardo Bonucci und seine Kollegen müssen sich aufrappeln. Eine Woche haben sie noch Zeit dafür.

Foto: Reuters/Hartmann

Zürich/Rom - "Wach auf, Italien!", titelte die Gazzetta dello Sport nach dem 0:3 (0:0)-Debakel des Mitfavoriten bei der EM-Generalprobe gegen Russland am Freitag. Acht Tage sind es noch bis zum Auftaktspiel gegen Welt- und Europameister Spanien (10. Juni, 18.00 Uhr) in Danzig. Neben dem schwelenden Wettskandal und der Razzia im Teamhotel hat die Krise nun auch eine sportliche Dimension.

Alexander Kerschakow (60.) und Roman Schirokow (75. und 89.) hatten vor 19.032 Zuschauern im Letzigrund die Tore für die Russen, die bereits am 8. Juni gegen Tschechien in die EM starten, erzielt. Die Italiener traten in Bestbesetzung an, auch Verteidiger Leonardo Bonucci, der in den Wett- und Manipulationsskandal verwickelt sein könnte, spielte von Beginn an. Mit zwei Abwehrfehlern leitete das Team von Trainer Cesare Prandelli seine dritte Niederlage in Folge ein. "Das ist schlimm, weil wir klar und deutlich verloren haben", sagte Mittelfeldspieler Riccardo Montolivo vom AC Florenz: "Aber noch haben wir Zeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gegen Spanien bereit sein werden."

"Die Azzurri verschwenden Torgelegenheiten, und die Verteidigung schläft", urteilte die Gazzetta. Für den viermaligen Weltmeister war die schmerzhafte Pleite gegen Russland der Abschluss einer völlig missratenen Vorbereitung: Die Squadra Azzurra geht nach den vorherigen 0:1-Niederlagen gegen Uruguay und die USA mit einer Negativ-Serie in die Endrunde.

Die römische Tageszeitung La Repubblica sagte prompt einen Turnierstart "in völliger Dunkelheit" voraus. Seit Monaten umhülle eine "schwarze Wolke" den italienischen Fußball, die nun auch den Patienten Nationalmannschaft erreicht habe: "Hoffentlich ist die Niederlage gegen die Russen eine bittere Medizin, die den Kranken wachrüttelt."

Auch Prandelli scheint allmählich seine Zuversicht zu verlieren. "Wir haben zu viele Fehler begangen, hoffentlich haben wir jetzt schon alle gemacht", sagte der 54-Jährige: "Wir müssen in den nächsten Tagen hart arbeiten und vieles ändern." Der seit 2010 amtierende Trainer fühlt sich unter Beschuss. Seit einer Woche beeinträchtigen die Skandale und Gerüchte um seine Nationalspieler seine Arbeit so sehr, dass der Coach schon vor dem Duell mit den Russen sarkastisch mit einem EM-Verzicht seines Teams kokettierte.

Verbandspräsident Giancarlo Abete mühte sich um Schadensbegrenzung: "Unsere EM-Teilnahme ist in keiner Weise in Gefahr. Prandelli hat das nur so daher gesagt", erklärte er. Anfang der Woche hatte Regierungschef Mario Monti schon mit einem ähnlichen Gedankenspiel für einen Aufschrei gesorgt. Monti hatte laut über einen totalen Stopp des Profi-Fußballs in Italien für zwei bis drei Jahre nachgedacht.

Derart belastet flüchteten sich die Spieler nach der misslungenen Generalprobe beinahe schon gezwungenermaßen in Durchhalteparolen. "Vielleicht ist die Niederlage ja positiv, weil man die Möglichkeit hat, die Fehler zu korrigieren", sagte Kapitän Gianluigi Buffon: "In schwierigen Zeiten tritt der Charakter der Menschen hervor." Aus Montolivos Sicht kann der Wettskandal sogar für Antrieb sorgen: "Wir müssen jetzt versuchen, diese ganze Polemik, diesen ganzen Druck in positive Energie für die EM umzuwandeln."

Buffon: "Gegen mich wird nicht ermittelt"

Die einzig positive Nachricht kam nach dem Russland-Spiel von Nationaltorwart Buffon. "Die Schulter macht mir keine Sorgen", sagte der Kapitän der Azzurri, der zur Halbzeit ausgewechselt worden war. Auch in Bezug auf seine angebliche Verwicklung in Wettgeschäfte in Parma glätteten sich die Wogen. "Gegen mich wird weder ermittelt noch muss ich aussagen. Ich habe nichts Schlechtes gemacht und bin niemandem Erklärungen schuldig", sagte Buffon. Das in einem Wettbüro in Parma gefundene Geld sei nicht für Wetten eingesetzt worden, erklärte Buffons Anwalt Marco Valerio Corini. "Wir können für jeden Geldfluss beweisen, dass er nicht für Sport-Wetten eingesetzt wurde", betonte er.

Neben Spanien am 10. Juni sind Kroatien am 14. und Irland am 18. Juni die weiteren Vorrundengegner der Italiener in der Gruppe C. (sid/red, 2.6.2012)

Test-Ergebnisse vom Dienstag:

Italien - Russland 0:3 (0:0). Zürich, Tore: Kerschakow (60.), Schirokow (75., 89.)

Tschechien - Ungarn 1:2 (1:1). Prag, Tore: Kadlec (24./Elfmeter) bzw. Dzsudzsak (6.), Gyurcso (88.)

Estland - Finnland 1:2 (1:2). Tartu, Tore: Oper (33.) bzw. Kuqi (10., 22.). Rote Karte: Ring (45./FIN)

Lettland - Litauen 5:0 (3:0). Voru/Estland, Tore: Cauna (14./Elfmeter), Gauracs (17., 47.), Visnakovs (36.), Smirnovs (80.)

Kasachstan - Kirgistan 5:2 (3:2)