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Die Missbrauchsfälle liegen Jahrzehnte zurück, dennoch klagen Ex- Heimkinder vor dem Landesgericht Linz Entschädigungen ein.

Foto: APA/Rubra

Linz - Er sei sich bewusst, dass es nicht mehr als eine "finanzielle Geste" sein könne, meinte Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), als er Anfang des Jahres die vorläufige Bilanz der Opferschutzkommission des Landes Oberösterreich präsentierte. Doch die Entschädigung von maximal 25.000 Euro sei von den Opfern "dankbar" angenommen worden. So "billig" will eines der misshandelten Heimkinder das Land jedoch nicht aus seiner Verantwortung entkommen lassen und zog vor Gericht. Am Freitag gab es in Linz einen ersten vorbereitenden Tagsatzungstermin.

Prügel und sexueller Missbrauch

1,1 Millionen Euro Entschädigung will der heute 44-Jährige dafür, dass er im Landeskinderheim Schloss Leonstein vier Jahre lang vom Leiter geprügelt und von Erzieherinnen sexuell missbraucht worden sei. Ganze Wochenenden lang sei er von "einer Handvoll sadistischer Täter" eingesperrt worden, beschreibt der Mann die Zustände in jenem Heim, in das er als Zwölfjähriger gesteckt wurde. Die von der Opferschutzkommission zuerkannten 20.000 Euro stünden für ihn in keinem Verhältnis zu dem Erlittenen. Aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse wurde er mit 30 Jahren zum Invaliden, erhält seitdem 800 Euro Pension im Monat. Den Prozess empfinde er als eine späte "Genugtuung", das Geld stehe für ihn nicht im Vordergrund, "ich bin mit einem Butterbrot auch glücklich".

Das Land Oberösterreich zeigte sich ohnehin nicht bereit, dem gebürtigen Bad Ischler Schmerzensgeld zu zahlen. "Für die Klage sehe ich keine große Chance, das ist längst verjährt", stellte dessen Rechtsvertreter Thomas Langer vor Gericht klar. Julia Andras, Vertreterin des ehemaligen Heimkindes, argumentierte hingegen, dass ihr Mandant zu einem früheren Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen wäre zu klagen. Wegen der schweren Traumatisierung würde die Verjährung gehemmt, rechtfertigte sie die Forderungen.

1,6 Millionen Euro Entschädigungsforderung

Diese Entschädigungsklage ist nicht die erste gegen das Land. Auch Jenö Molnar war die "finanzielle Geste" des Landes zu wenig. Er will 1,6 Millionen Euro Wiedergutmachung. Der heute 65-Jährige wurde in seiner Kindheit fälschlich als Waise geführt und kam mit zehn Monaten ins Heim. 18 Jahre lang lebte er in verschiedenen Landeseinrichtungen, auch in Leonstein. Nicht nur dort soll er misshandelt worden sein. Doch damit nicht genug: In einem Strafverfahren wurde er 1965 nach einem längst abgeschafften Paragrafen verurteilt. Da jener Strafakt laut Gericht aber bisher nicht auffindbar war, wurde der Prozess vertagt.

Durch Zufall ist jetzt das Landesarchiv darauf gestoßen - in einem Aktenberg, den das Gericht dem Archiv zur Vernichtung übergeben hatte. Molnar erstatte Strafanzeige wegen versuchter Vernichtung von Beweisen. (Kerstin Scheller, DER STANDARD, 2./3.6.2012)