Clarissa  Campell Orr forscht über Queen  Elizabeth II.

Foto: Standard

Die Monarchie-Expertin Clarissa Campbell Orr erklärt, was Hofhistoriker eigentlich machen, was passiert, wenn Elizabeth II. verrückt wird, und wie man Straßenpartys zum Thronjubiläum mit Republikanern feiert. Von Sebastian Borger.

STANDARD: Was machen eigentlich Historiker, die sich Hofstudien widmen?

Orr: Im Mittelpunkt steht natürlich der Monarch mit seinen oder ihren Beratern. Hinzu kommt die materielle Seite, die Ausstattung des Palastes, die Gärten, die soziologische Zusammensetzung der engeren Hofgesellschaft sowie der Dienerschaft. Mein eigenes Interesse gilt dem Engagement der englischen Monarchie für Wohltätigkeitsorganisationen aller Art.

STANDARD: Eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts, vor allem unter Georg V. (1910-1936)?

Orr: Keineswegs! Diese Entwicklung begann mit Georg III. aus dem Haus Hannover.

STANDARD: Dessen Amtszeit von 1760-1820 war überschattet von Jahren geistiger Umnachtung, die ihm den Beinamen "der verrückte König Georg" eintrug.

Orr: Sein Einsatz für die Wissenschaft und für soziale Belange war dauerhaft und Vorbild für die Wohlfahrts-Monarchie, die heute einen wichtigen Teil des Appeals der Queen und ihrer Familie darstellt. In seiner Zeit liegt auch die Wurzel des erfolgreichen Übergangs von einem regierenden König zur heutigen Verfassungsmonarchie.

STANDARD: Was würde heute passieren, wenn die Monarchin geistig umnachtet ist?

Orr: Dann würde für Elizabeth ebenso ein Prinzregent, nämlich Charles, eingesetzt wie damals für Georg III. dessen Sohn Georg. Das wäre im Parlament kein Problem. Eine Abdankung schon, das kommt nicht infrage. Sie hat noch selbst erlebt, als König Edward VIII. 1936 zugunsten seiner geschiedenen Geliebten Wallis Simpson die Krone hinschmiss.

STANDARD: Jüngsten Umfragen zufolge genießt die Queen eine schier sagenhafte Zustimmungsrate von mehr als 80 Prozent.

Orr: Das kommt wohl daher, dass sie sich als Staatsoberhaupt ausdrücklich aus aller Politik heraushält. Ihre überparteiliche Funktion wird besonders deutlich in ihrer Funktion als Oberkommandierende der Streitkräfte.

STANDARD: In Wirklichkeit bestimmen Premier- und Verteidigungsminister, wo die Briten einmarschieren.

Orr: Natürlich. Aber die Unterstützung der Streitkräfte ist eine wichtige Familientradition, egal, wie umstritten die Kriege sind, welche die Politiker anzetteln. Sie müssen bedenken: Elizabeth trug im Zweiten Weltkrieg selbst Uniform, Prinzgemahl Philip diente als Marineleutnant in Burma. Ihr Vater Georg VI. diente im Ersten Weltkrieg, Queen Victoria war zeit ihres Lebens stolz darauf, die Tochter eines Offiziers zu sein. Diese Tradition geht sehr tief.

STANDARD: In Europa gibt es zwei weitere Frauen auf dem Königsthron: Margarethe von Dänemark und Beatrix der Niederlande. Wo sehen Sie Parallelen und Unterschiede?

Orr: In Dänemark hat das Königshaus eine ähnliche Funktion wie hier in Großbritannien, als Symbol der Kontinuität in einer modernen Demokratie. Auch dort ist die Königin Oberbefehlshaberin der Streitkräfte, mit der entsprechenden integrativen Wirkung.

STANDARD: Beteiligen Sie sich auch an einer Straßenparty?

Orr: Ich habe Freunde und Nachbarn zu einer Party eingeladen, mit dem Hinweis, dass sich am Montag der Geburtstag Georges III. jährt. Dessen Amtszeit ist mein Forschungsschwerpunkt. Da können auch meine republikanischen Freunde erscheinen, ohne sich verbiegen zu müssen. (DER STANDARD, 2.6.2012)