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Christian Hackl aus Wimbledon

116-mal ist nix passiert. Und jetzt müssen sich die ehrenwerten Herren vom Tennisklub mit einem nicht in ihren kühnsten Träumen für möglich gehaltenen Problem herumschlagen, es handelt sich sogar um eine Plage. Füchse haben sich eingeschlichen, die pfeifen sich bekanntlich einen Dreck um Tradition. Sie haben doch glatt mittels Urin ihr Revier abgesteckt. Zum Beispiel im acht Millimeter langen Gras des Centrecourts. Und dort stinkt es jetzt. Es wurden als Sofortmaßnahme elektrische Fuchsfallen installiert, ein Sprecher erklärte, man hoffe, so die Viecher zu schrecken und zu vertreiben. "Wir schieben rund um die Uhr Wache, aber in der Dunkelheit sieht man sie nicht." Das ist freilich überall so.

Wimbledon hat auch andere Irritationen anzubieten. Spieler und Spielerinnen müssen sich ab sofort nicht mehr vor der Royal Box demütigen, tiefe Verbeugung (Herren) und Hofknicks an der Grenze zum Kniefall (Damen) wurden ersatzlos gestrichen. Das hat mit dem simplen Faktum zu tun, dass weder Königin noch mögliche Thronfolger wie Prinz Charles erscheinen, die Queen hatte sich zuletzt 1977 hierher bequemt. Sollten Tim Henman oder Greg Rusedski das Finale erreichen, könnte sie spontan auftauchen. Die Engländer haben quasi vergessen, was so ein Titel bedeutet, ihr letzter Sieger war der legendäre Fred Perry 1936.

Barbara Schett wusste von dieser Revolution nichts, allerdings ist die Gefahr eines Auftritts und Knicks auf dem Centrecourt sehr gering, das wissen sogar die Füchse. Selbiges gilt freilich auch für die anderen Österreicher, drei der vier dürfen bereits am Montag auf Nebenplätzen werken: Patricia Wartusch gegen die Italienerin Rita Grande, Stefan Koubek gegen den Belgier Christophe Rochus und Jürgen Melzer gegen den Chilenen Fernando Gonzalez. Schett hat bis Dienstag Zeit (Marta Marrero). Das Quartett rechnet sich Chancen aus, sofern die Form passt, auch das hat mit Wimbledon wenig zu tun, gilt auf sämtlichen Tennisplätzen dieser Welt. Melzer sagt: "Leider gibt es taubere Rasenspieler als Gonzalez."

Als Favoriten werden Titelverteidiger Lleyton Hewitt, Andre Agassi, Andy Roddick und Roger Federer gehandelt, Henman setzt fast trotzig auf Henman, der Niederländer Sjeng Schalken könnte für ein bisserl Unruhe sorgen. Ein paar Charismatiker fehlen, zum ersten Mal seit 1989 wird der siebenfache Champion Pete Sampras vermisst, er wird vermisst bleiben. Goran Ivanisevic hat's lediglich in der Schulter, im Knie, im Rücken und an der Fußsohle, er verzichtet also darauf, "wie ein Schwein herumzukriechen". Richard Krajicek ist vor ein paar Tagen zurückgetreten, schade für Krajicek.

Serena Williams sollte sich vom Scheitern im Halbfinale der French Open an der späterin Siegerin Justine Henin-Hardenne erholt haben, sie weilte in den USA, "um Aufschläge zu trainieren. Ich muss lernen, wieder zu gewinnen. Mein Leben ist immer ein Kampf gewesen. Das macht mich stark." Schwester Venus soll dafür verliebt sein, sie schreibt romantische wie gereimte Gedichte, ein Erscheinen in Buchform ist fast zu befürchten. Die jüngere Serena macht auch auf Schriftstellerin, ihre Geschichten sind nicht ganz so lieb, in einer hat sie sogar die Mutter verschwinden lassen. "Ich will die Gejagte sein." Und als einzige Füchsin übrig bleiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.06.2003)