Paris/Teheran - Die französische Justiz hat Ermittlungen gegen 17 der bei einer Großrazzia festgenommenen oppositionellen Exiliraner eingeleitet. Zuvor hatten Antiterror-richter in Paris die Verdächtigen am Samstag und Sonntag zu ihren Verbindungen zu den Volksmudjahedin befragt, die in den USA und in Europa als Terrororganisation eingestuft wird. Unter den Personen, gegen die Ermittlungen eingeleitet wurden, befindet sich die führende Volksmudjahedin-Politikerin Marjam Rajavii, die Frau von Volksmudjahedin-Führer Massud Rajavi. Auch gegen dessen Bruder Saleh wird ermittelt.

Sechs der Verdächtigen, darunter Saleh Radschawi, wurden unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt, Marjam Rajavi und zehn weitere Personen wurden in Gewahrsam behalten. Marjam Rajavis Anwalt Henri Leclerc sprach von einem politisch motivierten Vorgehen. Die Befragungen fanden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Bei der Razzia am Dienstag waren mehr als 150 Personen festgenommen worden. Dies hatte heftige Proteste von Exiliranern in ganz Europa ausgelöst. Es kam auch zu etlichen Selbstverbrennungen. Dabei erlag in Paris eine Frau ihren Verletzungen. Anhänger von Marjam Rajavi erklärten, um deren Freilassung zu erreichen, seien mehr als ein Dutzend Menschen in einen Hungerstreik getreten.

"Schändlicher Handel"

Die inhaftierte Führerin der iranischen Volks-Mujaheddin, Marjam Rajavi, ist offenbar erst im April aus dem Irak zurückgekehrt. Ein führendes Mitglied des politischen Flügels der Exil-Opposition, Mohammed Seyed Mohadessin, sagte am Montag in Paris, die französischen Behörden seien darüber immer im Bilde gewesen. Nach Angaben der französischen Liga für Menschenrechte (LDH) verfügt die Ehefrau von Massud Rajavi über eine bis 2006 gültige Aufenthaltserlaubnis in Frankreich. Sie sei von der Regierung in Paris zur Rückkehr "autorisiert" worden.

Der Nationale Widerstandsrat Irans bezeichnete die Festnahme von Marjam Rajavi als "schändlichen Handel Frankreichs mit dem Religionsfaschismus der Mullah" im Iran. In Teheran haben Studenten am Sonntag mit einem Sitzstreik im iranischen Parlaments gegen die Festnahme von Kommilitonen protestiert.

Die rund 20 Demonstranten riefen die Abgeordneten auf, sich für die Freilassung von mehr als 30 Studenten einzusetzen, die nach den jüngsten regimekritischen Protesten festgenommen worden seien. Während der einwöchigen Proteste waren Hunderte von Menschen verhaftet worden. Bereits am Samstag hatten Studenten mit einem Sitzstreik in der Teheraner Universitätsmoschee ihre Forderung nach Freilassung der Inhaftierten unterstrichen. Wie die iranische Zeitung Iran berichtete, befinden sich 520 Demonstranten in Haft. Das Regierungsblatt berief sich auf den Teheraner Polizeichef General Mahmud Japloqi.

Die Inhaftierten seien allesamt nicht älter als 25. Unter ihnen befänden sich auch zehn Studenten. Alle anderen seien Krawallmacher oder hätten illegal mit Alkohol oder Ecstasy-Pillen gehandelt, sagte der Polizeichef. (APA, dpa, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 23.6.2003)