EU segnet biometrische Datenerfassung ab

Michael Simoner Jörg Wojahn

Porto Karras/Wien - Die EU strebt für ihre Bürger Pässe mit biometrischen Merkmalen an. Auf ihrem Gipfeltreffen im griechischen Porto Karras beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Union am Freitag, entsprechende Pläne voranzutreiben.

Die EU-Kommission will bis Jahresende Vorschläge für die Einarbeitung biometrischer Merkmale wie Fingerabdrücke oder Irisprofil in Ausweisdokumente vorlegen. Sowohl Kommissionsvertreter als auch Brüsseler Diplomaten wiesen in Porto Karras darauf hin, dass es Biometrie-Pläne der USA seien, die die EU unter Zugzwang brächten.

Wie DER STANDARD berichtete, will Washington ab Oktober 2004 nur mehr maschinenlesbare und mit biometrischen Daten ausgestattete Pässe bei Einreiseanträgen akzeptieren. Andernfalls müssen Visa beantragt werden. Das blüht schon ab Oktober 2003 Österreichern, die noch alte grüne Reisepässe besitzen.

Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zur biometrischen Erfassung:

Frage: Was versteht man unter Biometrie?

Antwort: Biometrie bezeichnet generell die Erfassung und (Ver-)Messung von Lebewesen und ihren Eigenschaften. Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die automatisierte Messung eines individuellen Merkmals einer Person, um sie von anderen Personen unterscheiden zu können.

Frage: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Antwort: Universalität (bei jedem Menschen vorhanden), Einzigartigkeit (bei jedem Menschen verschieden), Beständigkeit (ohne Veränderung über die Zeit) und die technische Erfassbarkeit.

Frage: Welche Merkmale sind geeignet?

Antwort: Fingerabdrücke, dabei werden Verzweigungs-und Endpunkte der Fingerlinien ("Minuzien") gemessen. Bei der Handgeometrie werden Länge, Dicke und Abstand der Finger festgehalten sowie das Profil der Hand. Beim Scan der Iris (Regenbogenhaut) wird das Muster des Gewebes rund um die Pupille gemessen, beim Scan der Retina das Muster der Blutgefäße im Augenhintergrund. Eine Gesichtsvermessung verrät die geometrische Anordnung von Augen, Kinn, Nase und Mund.

Frage: Wo liegen Schwächen der Augenvermessung?

Antwort: Jedes Irismuster ist einzigartig - bei jedem einzelnen Auge und auch bei eineinigen Zwillingen. Allerdings können Krankheiten und Schädigungen der Hornhaut zu deutlichen Veränderungen führen. Und dann ist eine neue Vermessung erforderlich. Dasselbe gilt für die Retina. Augenvermessungen haben generell den Nachteil, dass Probanden sehr nahe (15 Zentimeter bis ein Meter) an das Messgerät heranmüssen. Zum schnellen Masseneinsatz ungeeignet.

Frage: Welche Vor- und Nachteile hat Gesichtserkennung?

Antwort: Zu Kontrollierende müssen nicht aus kurzem Abstand in ein Gerät schauen, Gesichtserkennung ist also für alle Beteiligten praktischer. Bei allen Systemen ist aber der Betrachtungswinkel der Kamera und der Detailreichtum von Vergleichsbildern (bis zu 150 Bilder pro Gesicht) ausschlaggebend. Unterschiedliche Lichtverhältnisse oder Temperaturschwankungen können die Funktionalität beeinflussen. Noch ist die Gesichtserkennung nur in Kombination mit anderen biometrischen Verfahren zuverlässig.

Frage: Welche Datenschutzbedenken gibt es?

Antwort: Die reine Authentifizierung ist eher unbestritten. Die lokale Überprüfung, ob eine Person und ein Reisepass zusammengehören, erfolgt anonymisiert. Dienen aber gespeicherte Merkmale zur Identifizierung von Personen und werden diese Daten zentral gespeichert, ist das ein klarer Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte. Außerdem ist kein Datensatz sicher vor Diebstahl oder missbräuchlicher Verwendung. Im Gegensatz zum realen Diebstahl, kann der virtuelle über lange Zeit unentdeckt bleiben. Fragen der Haftung sind völlig ungeklärt. Und im Gegensatz zu einem Reisepass kann man sich kein zweites Gesicht besorgen.

Frage: Sind Reisepässe schon biometrietauglich?

Antwort: Nein. Unsere roten Pässe sind zwar maschinenlesbar, enthalten aber kein Speichermedium. Sie müssten also zum Beispiel mit einem Chip adaptiert werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.6.2003)