Wien - Eine körpereigene "Entzündungsbremse" haben Wissenschafter vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung der Universität Wien entdeckt. Dafür erhielten sie am vergangenen Mittwoch einen Preis der Aventis-Stiftung für die besten wissenschaftlichen Arbeiten an der medizinischen Fakultät der Universität Wien. Einen weiteren Preis bekam ein Team der Universitätsklinik für Innere Medizin I für Grundlagenforschung über Blutkrebs.

Die Immunabwehr des Menschen kann Krankheitserreger auf vielfältige Weise angreifen. Ein Weg dazu ist die Produktion von Sauerstoff-Radikalen, welche Keime abtöten. Ausgelöst wird das durch eine Entzündungsreaktion, die wiederum durch den Kontakt mit dem Erreger zustande kommt. Doch eine überschießende derartige Reaktion kann für den betroffenen Menschen selbst mit einer potenziell tödlichen Sepsis enden.

Negativer Regulierungsmechanismus

Valery Bochkov vom Institut für Gefäßbiologie und Erstautor einer Studie, die im vergangenen Jahr in der britischen Wissenschaftszeitschrift "Nature" erschienen ist, entdeckte dabei einen negativen Regulierungsmechanismus, der eine zu starke Reaktion des Immunsystems verhindern kann.

Das körpereigene Abwehrsystem antwortet auf eine Infektion mit Gram-negativen Bakterien auf Bestandteile von deren äußerer Zellmembran, auf so genannte Lipopolysaccharide (LPS). In den Immunzellen bedeutet dies ein Signal für das "Anwerfen" einer Entzündungsreaktion. Die Folge ist schließlich die Bildung der für die Bakterien giftigen Sauerstoff-Radikale durch Oxidation von Fettstoffen (Phospholipide).

Mehrfache Funktion

Doch diese oxidierten Phospholipide haben laut der Arbeit von Bochkov offenbar eine mehrfache Funktion. Sie können eine Abwehrreaktion fördern - das geschieht beispielsweise bei chronischen Entzündungen, wie sie auch im Rahmen der Atherosklerose belegt sind -, andererseits akute Reaktionen aber auch bremsen.

Den Beweis für diese schützende Rolle der oxidierten Phospholipide erbrachten die Forscher, indem sie Mäusen LPS spritzten. "Diese Mäuse, denen LPS injiziert worden war, zeigten eine reduzierte Entzündung und waren vor einem tödlichen Endotoxin-Schock geschützt", schrieben die Wissenschafter in der Zusammenfassung ihrer Arbeit. Binder meint, dass sich aus diesen Erkenntnissen die Möglichkeit für die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung bzw. zur Verhinderung der Sepsis bietet.

Chromosomen-Umlagerungen als Krebs-Ursache

Bösartige Lymphome und lymphatische Leukämien gehören zu den häufigsten Krebserkrankungen des Menschen. Näher an die Mechanismen, die solche Leiden auslösen können, kam jetzt eine Gruppe von Wissenschaftern am Forschungslabor von Ulrich Jäger an der Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der Universitätsklinik für Innere Medizin in Wien.

Rodrig Marculescu wurde nun für eine Arbeit zu diesem Thema mit einem Preis der Aventis Stiftung ausgezeichnet. Sie beschäftigte sich mit den Entstehungsmechanismen von so genannten Chromosomen-Translokationen. Dabei kommt es im Zuge der Entwicklung von B- oder T-Zellen zu einer teilweisen Umlagerung von Abschnitten der Erbsubstanz DNA. Das gibt das Signal für die krankhafte Vemehrung dieser Zellen.

Entwicklung von Präventionsmaßnahmen

Der Wissenschafter erläutert, dass die Kenntnis dieser Mechanismen als Grundlage für die Entwicklung effektiver Präventionsmaßnahmen dienen könnte. Das ist besonders wichtig, weil die Zahl der Lymphom-Erkrankungen weltweit rasant ansteigt.

Zunächst einmal beobachteten Rodrig Marculescu und die Co-Autoren der Studie im Laufe der Arbeiten, dass manche dieser Chromosomen-Translokationen reine Fehlprodukte sind und ohne Mitwirkung anderer Mechanismen auftauchen.

Fehlerhäufigkeit

Zweitens zeigte sich, dass es offenbar unerwartet häufig zu solchen Fehlern kommt. Die Wissenschafter untersuchten schließlich Thymus-Gewebe von Kindern ohne Erkrankungen des blutbildenden Systems. In Übereinstimmung mit experimentellen Daten konnten die Wissenschafter zum ersten Mal die Translokation im Thymus von hämatologisch gesunden Kindern nachweisen. Das ist ein völlig neuer Aspekt in der Leukämieforschung.

Das System soll aber auch für die Erforschung der Beteiligung von Umweltfaktoren an der Entwicklung von Lymphomen und Leukämien verwendet werden. (APA)