Im vergangenen Oktober trudelte eine Mail aus der griechischen Botschaft "mit der Bitte um Rücksichtnahme" in der Redaktion ein. Der Regierungssprecher, so wurde uns mitgeteilt, dementierte ausdrücklich den derStandard.at-Bericht "400 US-Panzer für finanzmarode Griechen". Diese Berichte würden nicht der Wahrheit entsprechen, hieß es: "Es gibt keinen Kauf von US-Panzern und es gibt nicht einmal Gedanken über ein solches Geschäft, das den Staatshaushalt erneut belasten würde." Damit schien die Sache erledigt.

M1A1-Abrams-Kampfpanzer der US-Marines im Irak. Foto: David Goldman, AP

Das Gerücht von den 400 US-Panzern geisterte aber weiter durch die europäische Medienlandschaft. Drei Monate später, Mitte Jänner 2012, kam die nächste Serie an Berichten. "Kein Geld für Pensionen - aber für Panzer", schrieb damals das "Handelsblatt". Die deutschen Kollegen wussten mehr: Eine neunköpfige Expertenkommission des griechischen Generalstabs sei in die Wüste von Nevada aufgebrochen, um auf einem "Friedhof" mit mehr als 1.000 ausgedienten Panzern 400 auszusuchen, die am besten in Schuss seien. Die USA hätten den Griechen die Panzer sogar geschenkt. Nur die Transportkosten - immerhin ein einstelliger Millionenbetrag - wären für die Griechen selbst zu tragen gewesen, plus die Kosten für die Munition und das Instandsetzen der alten M1A1-Panzer. Am Ende zerschlug sich das Geschäft jedoch.

Milliarden für das Militär

Es ist ein moderner Mythos: Die Griechen haben kein Geld für Sozialleistungen, rüsten das Militär aber weiter auf. Nur: Das stimmt so nicht ganz. Die Militärausgaben Griechenlands waren schon immer hoch. Ihren Höchststand erreichten sie 2009, als 7,61 Milliarden Euro ins Militär flossen. Seither sanken sie aber drastisch. 2010 betrugen sie 5,41 Milliarden Euro, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI erhoben hat. 2011 stiegen die Ausgaben minimal.

1988 wurden lediglich 1,15 Milliarden Euro ins Militär investiert. Verglichen mit den 7,61 Milliarden von 2009 sieht das nach einem starken Anstieg aus. Um die Inflation bereinigt, also die Entwertung des Geldes, ist der Anstieg jedoch nicht mehr so hoch, auch wenn er in diesen gut 20 Jahren noch immer ein Viertel beträgt. Durch die Einsparungen in der Krise sind die Ausgaben nun aber wieder auf dem Niveau von 1988.

Richtig aussagekräftig werden diese Zahlen erst dann, wenn man sie ins Verhältnis setzt. International als Vergleichswert durchgesetzt hat sich das Verhältnis der Militärausgaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Hier sieht man: Im Verhältnis zum BIP stehen die griechischen Militärausgaben sogar auf einem historisch niedrigen Wert, seit 1988 sank der Anteil von 4,2 auf 2,3 Prozent im Jahr 2010. Damit liegt Griechenland noch immer vor den europäischen NATO-Ländern (und weit, weit über Österreich), die entsprechend dem globalen Trend sinkender Militärausgaben auch ihre Budgets gesenkt haben. Die Zahlen belegen aber auch: Eine militärische Aufrüstung in Zeiten der Krise findet nicht statt.

Ein UNO-Soldat kontrolliert auf Zypern die Pufferzone zwischen dem griechischsprachigen Süden der Insel und den türkischen Zyprioten im Norden. Foto: Petros Karadjias, AP

Griechenland und das Verhältnis zur Türkei

Als Grund für die hohen Militärausgaben wird immer das kritische Verhältnis zur Türkei herangezogen. Auf den ersten Blick mag es absurd erscheinen, wenn zwei benachbarte Länder aus demselben Militärbündnis in eine Art Wettrüsten treten, doch gibt es reale Gründe, die dafür sprechen. Zum einen steht zwischen beiden NATO-Ländern der Zypernkonflikt, zum anderen gibt es ständig Auseinandersetzungen wegen illegaler Grenzgänger. Plus: Griechenland bildet einen Teil der EU-Außengrenze, die Türkei ist mit Grenzen zu Syrien, dem Irak und dem Iran die Brücke Europas zum Nahen und Mittleren Osten und damit in einer geostrategisch relevanten Lage.

Die obigen Grafiken zeigen, in welche Länder wie viel griechisches Geld im Austausch für Waffen geflossen ist. Weit vor allen anderen liegen die USA. Von 1988 bis 2009 wurde um fast die Hälfte des Geldes in den USA eingekauft. Auf Rang zwei kommt Deutschland, dahinter Frankreich. Im Zeitraum von 1988 bis 2009 verkauften die beiden Länder an Griechenland Kriegsgerät um 4,8 bzw. 2,4 Milliarden Euro - ein Drittel der Gesamtsumme dessen, was die Griechen in dieser Zeit für Waffen ausgegeben haben. Deutschland ist zugleich jenes Land, das am vehementesten einen griechischen Sparkurs fordert und das Land zu harten Reformen zwingt.

Ein Leopard-2A4-Kampfpanzer in Thessaloniki: Wie er wurden hunderte Kampfpanzer aus Deutschland importiert. Foto: Nikolas Giakoumidis, AP

Eine überlieferte Szene steht symptomatisch für diese Ambivalenz. Spanische und griechische Medien hätten das Gerücht gestreut, schreibt die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit", dass Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy den griechischen Ex-Premier Giorgos Papandreou dazu gedrängt hätten, von bestehenden Rüstungsverträgen ja nicht zurückzutreten und sogar neue abzuschließen. Freilich: Ob diese Szene wirklich so stattgefunden hat, wissen wohl nur die an den Gesprächen beteiligten Personen. Ein Sprecher Merkels dementierte.

Nicht dementieren kann Deutschland jedoch 711 Kampfpanzer und 1.062 gepanzerte Fahrzeuge, die seit 1992 von Deutschland aus nach Griechenland exportiert wurden. Das UNO-Waffenregister gibt detailliert Aufschluss über Jahr, Anzahl und Typ. Am 4. Jänner 1994, heißt es da etwa, kamen 54 Leopard-1 in Griechenland an. Verschifft wurden sie Ende 1993. Sie dienten als Ersatz für die gleiche Zahl alter Panzer, die nach den Bestimmungen des KSE-Vertrags (Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa) unschädlich gemacht wurden. Im selben Jahr wurden aus den Niederlanden 72 Kampfpanzer - ebenfalls Leo-1 - importiert. Das waren aber nicht die einzigen importierten Kampfpanzer in diesem Jahr. Aus den USA beschaffte man im selben Jahr gleich 324 Stück M60.

Auch Österreich hat Kriegsgerät nach Griechenland exportiert. Von 1988 bis 1994 flossen 103 Millionen Euro von Griechenland nach Österreich. Es ging dabei um den Saurer-Schützenpanzer, genauer gesagt um den leicht modifizierten Leonidas-2. Unter diesem Namen ist er in Griechenland bekannt. 344 Stück wurden zwar in Österreich gekauft, aber in Griechenland gefertigt. In den Jahren zuvor hatte Griechenland schon eine Anzahl an Saurer-Schützenpanzern erworben.

Fregatten aus den Niederlanden

Auch die Niederlande verdienten gutes Geld mit Griechenland. Die traditionelle Seefahrernation verkaufte im Zeitraum von 1992 bis 2003 acht Stück Kortenaer-Fregatten, die in den Niederlanden ab Mitte der 1970er Jahre bis Anfang der 1980er Jahre gebaut wurden. Die Fregatten wurden zu einem Stückpreis zwischen 27,5 und 70 Millionen US-Dollar verkauft. Die Niederlande exportierten aber nicht nur Schiffe, sondern auch Fahrzeuge: 175 gepanzerte Fahrzeuge und 202 Kampfpanzer aus den Niederlanden wurden nach Griechenland verkauft.

Zwei griechisch-orthodoxe Priester segnen 1997 die ehemalige niederländische Fregatte der Kortenaer-Klasse, die ab sofort für Griechenland ihren Dienst versah. Foto: Paul Vreeker, EPA/ANP

Um die militärischen Fähigkeiten in der Luft zu steigern, shoppte Griechenland vor allem in den USA. 1991 wurden erst 20 Apache-Kampfhubschrauber bestellt (die 1995 geliefert wurden), 2003 folgte die Bestellung von zwölf weiteren. Gar nicht erst im UN-Waffenregister gelistet sind Transporthubschrauber, die aber natürlich ebenso für militärische Zwecke verwendet werden, zum Beispiel sieben CH-47D Chinooks (Lieferung 2001), elf Aegan Hawks (eine Variante des Black Hawk). Auch in Sachen Kampfflugzeuge war man vor allem am US-Markt aktiv: 170 F-16C, 26 F-16D und 22 F16-DG wurden zwischen 1990 und 2010 ausgeliefert. Ein Kauf von 60 Eurofightern, zu dem Deutschland Mitte der 2000er Jahre die Griechen gedrängt hatte, zerschlug sich schon vor längerer Zeit.

Was bleibt

Das Resümee der Geschichte? Es ist wirklich nur ein Mythos, dass Griechenland derzeit aufrüstet. Der harte Sparkurs nimmt auch das Militär nicht aus. Trotzdem sind die jährlichen Militärausgaben noch immer auf einem hohen Niveau und liegen über dem der vergleichbaren europäischen NATO-Länder. Die Rolle Deutschlands und Frankreichs muss hingegen kritisch gesehen werden: Wer 20 Jahre lang tausende Panzer und dutzende Kriegsschiffe an ein Land verkauft, in dem fraglich ist, ob es sie überhaupt benötigt, darf sich nicht wundern, wenn dem Land dann das Geld ausgeht. (Florian Gossy, derStandard.at, 29.6.2012)