Blau schimmernde Wesen, die ihre Form beständig ändern: Manfred Wakolbinger transzendierende Arbeiten in Krems.

Foto: Rita Newman

Krems - Seit den 1990er-Jahren arbeitet Manfred Wakolbinger parallel zu seiner Tätigkeit als Bildhauer auch verstärkt mit dem Medium der Fotografie. Beide Sphären treten dabei in einen frucht baren Austausch miteinander, vorhandene Arbeiten werden neu kontextualisiert.

Im Rahmen der aktuellen Werkschau Wakolbingers in der ehemaligen Dominikanerkirche Krems sind neben den materiellen Kupferskulpturen Foto- und Videoarbeiten zu sehen, die für Kontraste sorgen.

Wakolbinger fügt etwa virtuelle Travellers, langgestreckte stehende Metallwesen, in Fotografien der Dünenlandschaft von Gran Canaria ein, wo sie nackten Pensionisten beim Kartenspielen über die Schulter blicken. Oder er montiert einen gigantischen Metallbogen über die Sandbänke des Lido, der sich brückenartig über das Wasser legt. Die Gestelle bekommen in der zweidimensionalen Collage neue Interaktionspunkte. Ob das Produkt dabei der Realität oder der Imagination entspringt, lässt sich nicht leicht entscheiden, und so wird auch die eigene Wahrnehmung infrage gestellt.

Zerfransen und zerfallen

Im Zentrum der Kirche steht ein hellgrauer Kubus, der als Gehäuse für die Videoschleife Galaxies 1-3 dient. Diese zeigt ein blau schimmerndes Wesen in dunkler Umgebung, das sich unentwegt teilt, in die Länge zieht und pulsiert, um sich schließlich raumschiffartig aufzublähen - und dann auszufransen und zu zerfallen. Die Animation, die Philipp Leissing auf der Basis von Unterwasserfotografien Wakolbingers erstellt hat, ist vielleicht das faszinierendste Stück der Schau von Werken aus drei Jahrzehnten.

Den Assoziationsketten sind da bei keine Grenzen gesetzt. Man denkt an Abbildungen von Galaxien auf der Linse von Weltraumteleskopen, pränatale Larvenstadien oder die skurillen Lebewesen der Tiefsee. In der verblasst-sakralen Umgebung verschwimmen diese Eindrücke zu einem sinnlichen Erlebnis, die dem Video unterlegten Klangteppiche des Soundkünstlers Christian Fennesz verstärken deren Intensität.

Das prozesshafte Oszillieren zwischen Individuum und Kolonie, das in der Arbeit dargestellt wird, trifft den Zuseher an seiner eigenen sozialen Position auf halbem Weg vom Einzeller zum gottgleichen Betrachter.

Und so ist der Bezugspunkt, auf den die Werke Wakolbingers letztendlich hinauslaufen, nicht die entfernte Galaxie oder die Mikrobe der Unterwasserwelt, sondern eher der irdische Mensch und das, was Merleau-Ponty dessen Leib nennt: die vermittelnde Instanz zwischen Geist und Körper, seine Fundierung in der Welt. (tim, Spezial, DER STANDARD, 2./3.6.2012)