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Handshake zweier europäischer Parias: Der damalige Kanzler Schüssel empfing den heutigen ungarischen Premier 2006 in Wien.

Foto: APA/EPA/Soos

Budapest - Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat am Donnerstag in Budapest den ungarischen Premier Viktor Orban gelobt. Dessen Regierung würde "richtig handeln, wenn sie ihre im Parlament errungene Zwei-Drittel-Mehrheit nutzt", zitierte die ungarische Nachrichtenagentur MTI den Altkanzler. Immerhin hätten die ungarischen Bürger mit der Wahl "für die Reformen gestimmt". Schüssel nimmt in Budapest an der Konferenz "Nationale Werte im Fokus" anlässlich der Halbzeit der 2010 gewählten rechtskonservativen Regierung teil.

Fidesz-Partei gefährde Demokratie nicht

Schüssel betonte bei der Konferenz, er vertraue auf das ungarische Parlament und die regierende Fidesz-MPSZ-Partei, da "diese im Gegensatz zu einzelnen Kritikern die Demokratie nicht gefährden, sondern ihre Macht dafür einsetzen, das Land auf den entsprechenden Kurs zu bringen". Laut Schüssel ist es "gut, dass Ungarn und Österreich nicht nur Nachbarn sind, sondern auch Partner".

Schüssel für "neuen, modernen, besonnenen Patriotismus"

Premier Orban und seine Fidesz-Partei könnten Fehler machen, man könne sie kritisieren, doch "auf jeden Fall verdienen sie Achtung für ihre Arbeit". Der Ex-Bundeskanzler betonte zugleich die Bedeutung eines "neuen, modernen, besonnenen Patriotismus" in den europäischen Ländern. Es müsse eine neue Perspektive geboten werden, "in deren Mittelpunkt Freiheit und Unabhängigkeit stehen" und die zugleich "die Dazugehörigkeit zur Heimat betont".

Industrie wichtig für Europa

Laut Schüssel öffnet sich in Europa die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter, wobei die Mittelschicht in eine immer schwierigere Lage gerate, die jedoch eine sehr wichtige Rolle in der Demokratie spiele. Es sei zu beobachten, dass viele Unternehmen in Entwicklungsländer abwandern und Arbeitsplätze abgebaut werden.

Früher habe man geglaubt, in Europa liege die "Zukunft in den Händen hochgebildeter Technokraten". Dabei bedürfe es auch weiterhin der Industrie, der Klein- und mittelständischen Unternehmen. Jene Länder, die diese Fundamente vernachlässigten, seien heute "in wahrlich großen Schwierigkeiten". Schüssel führte Deutschland, die Schweiz, Ungarn und die Niederlande als positive Beispiele an, die die Industrie auch weiterhin für wichtig hielten.

Orban in der Kritik

Orban steht international seit Monaten wegen umstrittener Gesetzes- und Verfassungsänderungen in der Kritik, die etwa den Justiz- und Medienbereich betreffen. Ungarn wurde deshalb auch von der EU-Kommission verklagt. (APA, 31.5.2012)