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Gäbe es einen Grand Prix der Demokratie, läge Österreich in der Kategorie Parteienförderung mit null Punkten noch hinter Albanien. (Im Bild: Amnesty-Protest gegen das Regime in Aserbaidschan)

Foto: EPA/PUCHNER

Ungarn acht Punkte, Bangladesch sechs Punkte, Albanien drei, Österreich null. Was wie das niederschmetternde Resultat einer erweiterten Runde des europäischen Song Contests klingt, ist das Ergebnis einer schwedischen Studie zur Transparenz von Parteifinanzierungssystemen aus dem Jahre 2006. Man darf vermuten, dass sich seither wenig geändert hat - sieht man vom sogenannten "Anfütterungsverbot" einmal ab, bei dessen Novellierung auf die Einbeziehung von Abgeordneten und Ministern bedauerlicherweise "vergessen" wurde. Höchste Zeit also für ein " Transparenzpaket", das nun zügig geschnürt und aus lauter Tatendrang gleich mit einer "harmonisierten" Parteienförderung verknüpft werden soll.

Dabei ist das eigentlich Ärgerliche nicht die Unverfrorenheit, mit der die Regierenden zu Werke gehen - von ihnen hat der gelernte Österreicher nichts anderes erwartet -, sondern die stillschweigende Duldung und bestenfalls verhaltene Kritik, mit der die Vertreter der Opposition seit Jahr und Tag den österreichischen Zuständen begegnen. Denn die Richtung, in die sich das System bewegen müsste, ist allen Beteiligten bekannt: Die Gesamtzuwendungen müssten nicht nur nicht erhöht, sondern auf ein übliches westliches Level - und damit drastisch - heruntergefahren werden, öffentliche Förderungen an Kenngrößen gekoppelt, private Zuwendungen streng kontrolliert.

Auch die Modelle dafür liegen längst bereit - beinahe jedes westliche Land bietet nützliche Lektionen. Doch keine der österreichischen Parteien hat ein Interesse, auch nur einen Bruchteil dieser Lektionen in die Tat umzusetzen.

Von Deutschland lernen

Vorschläge zu einer drastischen Reduktion öffentlicher Mittel kontern Vertreter österreichischer Parteien nicht selten mit dem kecken Argument, dass ein Zurückfahren der öffentlichen Förderung wohl einen Anstieg illegaler Finanzierungspraktiken zur Folge hätte; d. h. mit der Befürchtung, dass der politische Mitbewerber - oder am Ende vielleicht sogar man selbst - in diesem Fall nicht daran denken würde, sich gesetzeskonform zu verhalten. Der wohl einzige Punkt, in dem sich grüne Aufdecker, orange Saubermänner und blaue Robin Hoods einig sind ist, dass man hier auch in Zukunft auf nichts Wesentliches verzichten möchte.

"Seit langem schon", so Johannes Voggenhuber vor drei Jahren in der "Zeit", "haben die österreichischen Parteien ein Kartell zu ihrer eigenen Finanzierung mit staatlichen Geldern errichtet. ... Gegen dieses System gibt es keine Opposition." Freilich, protestfrei ist die Zustimmung zu den Regierungsplänen diesmal nicht zu haben. Man spürt, dass Spindelegger und Faymann den Bogen überspannt haben und man sich die vor die Nase gehängte Karotte entgehen lassen muss. Einen Fünf-Parteien-Beschluss wie 2008, als - übrigens am Beginn der Finanzkrise -, die Klubförderung um satte 15 Prozent erhöht wurde, wird es nicht mehr geben.

Aber mehr, als dass man für keine Erhöhung zur Verfügung stehen möchte, ist auch Grün und Blau nicht zu entlocken. Wie anders klingt doch gleich der Ton, und mit wie viel mehr Einsatzfreude, Entschlossenheit und Kreativität ist man bei der Sache, wenn Reformstau, Innovationsbedarf und Verschwendungssucht in anderen Bereichen angeprangert werden.

Dabei bräuchte es wahrlich kein Übermaß an Fantasie, um entsprechende Vorschläge zu entwickeln. Fürs Erste genügt schon ein Blick in eine so distante politische Kultur wie die deutsche - auch die Reformvorschläge des Jung-Grünen Tobias Schweiger (DER STANDARD, 29.5.) basieren großteils auf dem deutschen Modell. Doch während im zehnmal kleineren Österreich insgesamt etwa 170 Millionen an öffentlichen Förderungen (Bundes- und Landesmittel, exklusive Gemeindeförderungen) ausgeschüttet und weitere Erhöhungen diskutiert werden, kennt das deutsche System dafür eine "absolute Obergrenze" von aktuell 150,8 Millionen (2012).

Variabel ist dieser Betrag unter anderem deswegen, weil das deutsche System als Grundgröße für die Berechnung der Basisförderung nicht, wie in Österreich, die Zahl der Wahlberechtigten nimmt, sondern die Zahl der gültig abgegebenen Stimmen. Diese werden mit 0,7 Euro pro Stimme (bzw. 0,85 für die ersten vier Millionen Stimmen) vergütet, während in Österreich bisher im Bund ein Fixbetrag von 2,41 Euro ausbezahlt wurde, der nun auf fünf Euro erhöht werden soll. Wohlgemerkt: pro Wahlberechtigtem. Ob dieser am Wahltag artig sein Votum abgibt, die Wahlurne flieht, oder den Stimmzettel zornesrot mit Schmähungen dekoriert, hatte auch bisher auf die Höhe der Zuwendungen keinerlei Einfluss.

Kritik an dieser frechen Praxis, die sich so von der Zahl der gültigen Stimmen und damit vom Wählerurteil über die Gesamt-Performance der österreichischen Parteien abkoppelt, habe ich auch von oppositioneller Seite keine vernommen. Ob grün, blau oder orange - alle sind sie in dieser Sache, im wahrsten Sinn des Wortes, "Partei".

Ein Blick auf die Höhe der Förderungen beantwortet mühelos auch die Frage, was etwa die Grünen daran hindern könnte, "das beste und sauberste Parteienfinanzierungsgesetz Europas" vorzulegen, wie der Alt-Grüne Franz Klug wohlmeinenderweise unterstellt (DER STANDARD, 30.5.): nicht die rot-schwarze "Erneuerungsresistenz", sondern - das Geld. Allein das Förderparadies Wien - bisher Spitzenreiter mit fast 29 Euro pro Wahlberechtigtem - ist für die Budgets der Opposition von so eminenter Bedeutung, dass jede Kürzung sich massiv auf die Kampagnenfähigkeit vor allem von FPÖ und Grünen auswirken wird.

Systemwechsel erwünscht?

Schon bisher breitete man über die Höhe der Wiener Zuwendungen den gütigen Mantel des Schweigens, und das höchst konsensuell. "Die Wiener Parteien sind sich seit 1993 einig", so Parteienforscher Hubert Sickinger, "die Parteienförderung nicht zu thematisieren, seit diesem Jahr taucht diese in Gemeinde- und Landtagsdebatten fast nicht mehr auf." Gebetsmühlenartig wird der Satz wiederholt, Demokratie (womit die Parteien sich selbst meinen) dürfe etwas kosten. Barbara Prammer brachte es 2008, anlässlich der Erhöhung der Klubförderung, beredt auf den Punkt: "Wer glaubt, an der Demokratie sparen zu müssen, ist am Irrweg."

Man könnte auch, nur so als Anregung, die öffentliche Förderung politischer Parteien an Kenngrößen wie die Forschungsquote oder die Gesamtdotation der Forschungsförderungen binden. Auch hier hat es ein Blick auf den deutschen Nachbarn in sich: Denn während das Fördervolumen des FWF, der maßgeblichen österreichischen Forschungsförderinstitution, mit aktuell 195,2 Millionen nur moderat über den öffentlichen Aufwendungen für Parteien liegt, verfügte die in ihrer Funktion vergleichbare Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 2010 mit stattlichen 2,31 Milliarden über das Siebzehnfache (!) der damaligen deutschen Parteisubventions-Höchstgrenze. Vergleiche wie dieser machen restlos klar, was die österreichische Parteipolitik unter "Zukunft" versteht: Zunächst und vor allem die eigene.

Angesichts all dessen wäre, so möchte man glauben, eine sanfte Ermahnung des Bundespräsidenten vielleicht nicht ganz verfehlt. Doch wie verlautete Heinz Fischer - übrigens ein ehemaliger Parteisekretär - kürzlich im "Kurier"? "Ich könnte es mir leicht machen und populistisch sagen: Die Parteien sollen mehr sparen. Aber wir haben aus guten Gründen in die Verfassung geschrieben, dass die Parteien unverzichtbarer und wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie sind. Man muss ihnen daher auch eine gewisse finanzielle Ausstattung geben."

Geschätzter Herr Bundespräsident, machen Sie es sich leicht, seien Sie populistisch, nur dieses eine Mal. Wenn die österreichischen Parteien sich nicht selbst reformieren, dann droht ein Systemwechsel, von dem niemand sagen kann, in welche Richtung er gehen wird. Eine Demokratie, die auf der Arbeit von Parteien basiert, kann sich vom Vertrauen der Bürger in diese Parteien nicht abkoppeln. Dieses Land braucht eine grundlegende Reform des politischen Systems, um ebendieses System zu erhalten. (Christoph Landerer, DER STANDARD, 31.5.2012)