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Den lebenden Fischen wird die Rückenflosse abgeschnitten, der Rest ins Meer geworfen.

Foto: EPA/Hotli Simanjuntak

"Ich denke, es ist Zeit für Hongkong, Haifischflossensuppe aus der Stadt zu verbannen", sagt Anthony Tin. Mit rund 100 Gleichgesinnten steht der 23-Jährige vor dem zentralen Regierungskomplex in Hongkongs Innenstadt und demonstriert gegen das Töten von Haien, um daraus Haifischflossensuppe zu kochen.

Hongkong ist Hauptumschlagplatz für Haifischflossen. Gut die Hälfte des globalen Handels mit der Delikatesse wird über die chinesische Sonderverwaltungszone abgewickelt. "2010 sind Haifischflossen im Wert von rund 2,6 Mrd. Hongkong-Dollar (rund 260 Mio. Euro) nach Hongkong importiert worden", sagt Rachel Vickerstaff, Gründungsmitglied der Hongkong Shark Foundation. Die Zahlen beruhten auf Schätzungen und seien deshalb mit Vorsicht zu genießen. "Der Haifischflossenhandel ist völlig unreguliert."

Langsames Umdenken

Die Hongkong Shark Foundation geht von gut 70 Millionen Haien aus, die pro Jahr getötet werden. Oft ziehen die Fischer den lebenden Fisch aus dem Wasser, trennen die Rückenflosse mit einem Messer ab und werfen den sich windenden Hai wieder in den Ozean. Dort verenden die verstümmelten Fische qualvoll.

Die Lobbyarbeit von Umweltorganisationen hat in Hongkong in den vergangenen zwei Jahren zu einem Umdenken geführt. "Wir arbeiten direkt mit den Restaurants der Stadt zusammen. Gut hundert haben wir geholfen, Alternativen zu entwickeln und die Speisekarte umzustellen. Dort wird keine Haifischflossensuppe mehr angeboten", sagt Allen To, Artenschützer im Hongkonger Büro des World Wildlife Fund.

Auch große Hotelketten in der Stadt sind Ende 2011 auf den Zug aufgesprungen und haben die Suppe in ihren Häusern aus dem Programm genommen. Familienfeiern, Geburtstage und Hochzeiten sind traditionell Gelegenheiten, bei denen in China Haifischflossensuppe serviert wird. Ein Teller kann laut der Organisation Oceana umgerechnet bis zu 80 Euro kosten. Doch die Suppe ist vielen wohlhabenden Chinesen das Geld nicht mehr wert.

Der Marine Products Association (MPA), einem Lobbyverband der Flossenhändler, sind die Kampagnen der Naturschützer und der Wandel in der Stadt ein Dorn im Auge. Sie sprechen von einem "schonungslosen Feldzug" der Umweltorganisationen, der Händler und Fischer ihrer Existenzgrundlage beraube.

Inseratenkampagne

Um den Haifischadvokaten nicht das Feld zu überlassen, hat die MPA in großen Zeitungen in Hongkong Anzeigen geschaltet, die die Bevölkerung unter anderem darüber aufklären sollen, dass die Haifischflossen nur ein Nebenprodukt seien und das brutale Abschneiden eine Ausnahme darstelle. Augenzeugenberichte von Nichtregierungsorganisationen lassen daran zweifeln.

Regierungen in immer mehr Regionen der Welt bringen Gesetze auf den Weg, die den Haifischflossenhandel einschränken oder gar verbieten. Vorigen Sommer etwa hat sich Kalifornien dem Beispiel von Hawaii, Washington und anderen US-Bundesstaaten angeschlossen und den Verkauf, Handel und Besitz von Haifischflossen verboten. Auch Taiwan hat 2011 reagiert. Fischern ist es nicht mehr gestattet, den Hai in Teilen einzuführen. Dem qualvollen Töten der Tiere soll damit ein Riegel vorgeschoben werden.

Brüssel hat heuer im März beschlossen, dem Beispiel Taiwans zu folgen und das Verstümmeln auf See vollständig zu verbieten. Die EU ist Hauptexporteur der Flosse nach Hongkong. Laut dem Hongkonger Amt für Zensus und Statistik liegt Spanien auf dem ersten Platz, gefolgt von Singapur, Taiwan und Indonesien.

Aufklärung über die Suppe

Nur drei Haiarten sind durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geschützt. Aber mindestens zehn weitere Arten, die in Hongkong frei gehandelt werden, seien stark gefährdet, heißt es bei der Hongkong Shark Foundation. Für Anthony Tin ist klar: "Wir müssen die Öffentlichkeit in der Stadt noch stärker darüber aufklären, was die Suppe für viele der Tiere bedeutet." (Malte E.Kollenberg aus Hongkong, DER STANDARD, 31.5.2012)