Tirana - Der Ruhm des Zhezair Zaganjori war äußerst flüchtig. Am Dienstagabend wurde der ehemalige Richter von der Regierungskoalition ins Rennen ums Präsidentenamt geschickt, das am gestrigen Mittwoch stattfand. Kurze Zeit später konnte sich schon niemand mehr an Zhezair Zaganjori erinnern. Denn es kam nicht einmal zur Abstimmung im Parlament, da die regierenden Demokraten (PD) ohnehin wussten, dass sie nicht die nötigen 84 Stimmen - drei Fünftel der Parlamentarier - hinter sich hatten. Der Kandidat wurde, kaum ernannt, schon verbrannt.

Wenn in Albanien ein Präsident gewählt wird, dann ist es angesichts der politischen Polarisierung sehr unwahrscheinlich, dass ein Kandidat vom jeweils anderen Lager unterstützt wird oder dass ein Konsenskandidat auftaucht, auch wenn dies von der EU eingemahnt wird. In einer Woche muss nun spätestens wieder gewählt werden. Insgesamt sind fünf Wahlrunden erlaubt. Für die beiden letzten bedarf es keines Konsenskandidaten mehr, weil eine absolute Mehrheit, also 71 von 140 Stimmen, ausreicht. Der jetzige Staatschef Bamir Topi wurde auch erst im vierten Wahlgang gewählt.

Doch diesmal ist nicht einmal sicher, ob die großen Parteien - die Demokraten und die Sozialisten - überhaupt eine erfolgreiche Präsidentschaftswahl wollen. Scheitert diese nämlich, kommt es innerhalb von sechzig Tagen zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Die oppositionellen Sozialisten (PS) versuchen diese schon lange herbeizuführen. Die Demokraten wiederum müssen die Neuformierung eines rechten Blocks jenseits ihrer Partei fürchten. Je schneller es zu Wahlen kommt, desto weniger gut vorbereitet wäre dieser.

Die Koalition rund um den mächtigen Premier Sali Berisha hält zudem nur 74 Stimmen im Parlament. Es wird für sie nicht leicht sein, 71 Stimmen für ihren Kandidaten im vierten Wahlgang zu bekommen. Denn es gibt bereits mindestens drei deklariert Abtrünnige. Der kleine Koalitionspartner LSI will zudem keinen prominenten PD-Politiker. Die Sozialisten wollen die Präsidentschaftswahl mit der Reform des Wahlgesetzes verknüpfen, die einer Drei-Fünftel-Mehrheit bedarf. Über die Persönlichkeit eines möglichen Kandidaten wird gar nicht diskutiert. Auf der Strecke bleibt angesichts dieser Machtspielchen wieder einmal die EU-Annäherung, die von der Bevölkerung gewünscht wird. Für eine solche müssten wichtige Gesetze im Konsens beschlossen werden. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 31.5.2012)