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Gianluigi Buffon Buffon kritisierte die Razzien der Polizei heftig

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Rom - Erst die Durchsuchungen im Trainingslager, dann die Spielabsage wegen eines Erdbebens: Für Italiens Fußball-Nationaltrainer Cesare Prandelli könnte die EM-Vorbereitung kaum chaotischer verlaufen. Die schlechten Nachrichten nahmen auch am Mittwoch kein Ende: Jetzt will die Staatsanwaltschaft in Cremona, die im ausgedehnten Wett- und Manipulationsskandal ermittelt, Torhüter und Kapitän Gianluigi Buffon befragen.

Buffon hatte in einem Interview behauptet, Absprachen zwischen Klubs am Ende der Meisterschaft seien nicht unüblich, um Vereine vor dem Abstieg zu bewahren. Das rief prompt die Ermittler auf den Plan. Die wenig geschickten Aussagen des Torhüters wurden als Versuch bewertet, seinen Vereinstrainer Antonio Conte aus der Schusslinie zu holen. Der Coach von Meister Juventus Turin war wegen mutmaßlicher Absprachen während seiner Zeit als Trainer des Serie-A-Aufsteigers AC Siena ins Visier der Staatsanwälte geraten.

Die Durchsuchungen im EM-Trainingslager kritisierte Buffon derweil heftig. "Es gibt Razzien, über die Medien schon drei bis vier Monate vorher berichten. Ein Spieler wird von den Ermittlern befragt und die Journalisten kennen den Inhalt nach zehn Minuten. Das ist eine Schande. Bei der Durchsuchung des Trainingslagers in Coverciano am Montag standen die TV-Kameras schon seit sechs Uhr früh bereit, um die Razzia aufzunehmen", sagte der Schlussmann. Auf die Frage, ob er von den ermittelnden Staatsanwälten befragt werden soll, antwortete Buffon: "Der Betroffene ist immer der letzte, der so etwas erfährt."

Schlimmer als vor der WM 2006

Für Buffon ist der Wettskandal, der seit Monaten Italiens Calcio erschüttert, schon jetzt schlimmer als die Affäre vor der WM 2006. "Heute ist die ganze Fußballbewegung betroffen, damals nur einige Klubs", betonte der Torhüter. Kritik übte Buffon auch am italienischen Premier Mario Monti, der sich wegen der Affäre für einen dreijährigen Meisterschaftsstopps ausgesprochen hatte. "85 Prozent der ehrlichen Spieler wären arbeitslos. Ich würde vielleicht noch anderswo arbeiten, aber viele Kollegen nicht", sagte Buffon.

Auf Ruhe im EM-Team muss Nationaltrainer Prandelli somit vorerst vergeblich warten - zumal Montis Vorschlag eine Diskussion losgetreten hat. Auch der Präsident des italienischen Fußballverbands FIGC zeigte wenig Verständnis. "Wer schuldig ist, muss streng bestraft werden, doch die Meisterschaft zu stoppen, würde das ganze Fußballsystem beeinträchtigen und auch denjenigen schaden, die sich ehrlich verhalten. Tausende Jobs wären gefährdet. Ein Stopp ist nicht die Lösung", sagte Giancarlo Abete. Der Fußball beschere den Staatskassen 1,1 Milliarden Euro Steuern pro Jahr.

In diesem gespannten Klima beginnt am Donnerstag vor dem FIGC-Sportgericht in Rom der Prozess gegen 22 Vereine, 54 Spieler sowie vier Manager und drei Assistenten wegen ihrer angeblichen Beteiligung am Skandal. Dazu gehören auch die drei Erstliga-Aufsteiger Atalanta Bergamo, AC Siena und Novara Calcio, denen ein Punktabzug für die nächste Saison droht. Im Visier der Ermittler stehen insgesamt angeblich 33 Spiele. Zentrale Figur der Verhandlungen soll der im April verhaftete Andrea Masiello sein. Laut Aussagen des früheren Profis vom AS Bari sind während der Saison 2010/2011 neun Begegnungen mit Bari-Beteiligung manipuliert worden.  (SID, 30.05.2012)