Bild nicht mehr verfügbar.

Koller lässt am Freitag "elf Spieler beginnen".

APA-FOTO: ROBERT JAEGER

Seefeld - "Was ist schon normal", fragte sich Teamchef Marcel Koller selbst und begründete so eine Maßnahme, die nicht geplant war. Gleich drei Trainingseinheiten wurden gestrichen, zunächst jene vom Dienstagnachmittag, der Mittwoch wurde dann zum komplett freien Tag erklärt. Als Belohnung. "Weil sie bisher wirklich brav mitgezogen haben." Die Kicker konnten tun, was sie tun wollten (Golf spielen, im Internet surfen, in die Luft schauen, ein Buch lesen, ins Museum gehen, das Goldene Dachl in Innsbruck fotografieren etc.), Koller interessierte die Freizeitgestaltung nicht. "Sie sollen sich nicht beobachtet fühlen, keinen Zwängen unterliegen. Sie sollen abschalten und den Kopf frei für den Fußball kriegen." Um 20 Uhr mussten sie wieder in Seefeld im Hotel sein. Koller konnte das nicht kontrollieren, er weilte in Luzern, um mit Assistent Thomas Janeschitz das Spiel zwischen der Schweiz und Rumänien zu beobachten. Die Rumänen sind am 5. Juni in Innsbruck Österreichs Gegner.

Der Teamchef hatte 20 Trainings in elfeinhalb Tage gepackt. "Zu viele" stellte er nun fest. "Man muss flexibel sein, die Zeichen der Zeit erkennen." Die Spieler schleppten sich zuletzt nach oder auch schon vor dem Frühstück in die medizinische Abteilung. Kollers Diagnose lautete: " Kollektive Müdigkeit. Dagegen musste man etwas unternehmen." Das Match am Freitag gegen die Ukraine wird natürlich nicht gestrichen, es wird um 20.30 Uhr in Innsbruck angepfiffen. Der EM-Gastgeber wirkte am Pfingstmontag putzmunter, schlug in Kufstein Estland mit 4:0. Koller greift zu einer weiteren ungewöhnlichen Maßnahme. Am Tag vor dem Match wird zweimal trainiert. "Was ist schon normal? Wir werden kurz und knackig arbeiten. Gegen die Ukraine werden elf Spieler beginnen, ich will mich nicht festlegen."

Keine Einzelkritik

Des Schweizers Zwischenbilanz fällt positiv aus, die Schlussbilanz hängt ein bisserl von den Ergebnissen ab. Die Mannschaft sei im Begriff, eine Identität zu entwickeln, das Defensivverhalten wurde bis zum Gehtnicht-mehr geübt. Koller gibt sich nicht die Blöße, in der Öffentlichkeit Einzelkritik zu üben. Er sagte nicht, dass Marko Arnautovic irgendwie lustlos über den Platz trabt. Der völlig unbeteiligte und somit neutrale Walter Kogler, er ist Trainer von Wacker Innsbruck und hat das Team kurz besucht, springt ein. "Arnautovic kann man nicht zuschauen. Seine Körpersprache ist aufreizend. Aber es geht mich nichts an." Florian Winkler ist noch neutraler als Kogler, trainiert beim österreichischen Skiverband das Abfahrtsteam der Damen. " Über Arnautovic habe ich mich geärgert." Koller bevorzugt die Mehrzahl. "Alle sind fleißig. Und ein Skitrainer ist nicht vom Fach." Frei übersetzt: Arnautovic kann und soll niemals Elisabeth Görgl sein.

Tormann Robert Almer ist abgereist, den Düsseldorf-Legionär zwickt seit Wochen der Oberschenkel. Spartentrainer Otto Konrad hat die Sinnlosigkeit erkannt. Ihm bleiben Christian Gratzei, Heinz Lindner und Lukas Königshofer, die beiden Letztgenannten haben null Länderspiele in den Händen. Konrad: "Wir haben kein Tormannproblem. Alle sind gut, haben unterschiedliche Charaktereigenschaften." Festlegen wollte er sich nicht. "Im heutigen Fußball ist es nicht notwendig, eine klare Nummer eins zu haben. Es sei denn, man hat Leute wie Cech oder Casillas. Aber die haben wir nicht." Und somit war der freie Tag in Seefeld auch schon wieder besprochen. (Christian Hackl, DER STANDARD, 31.5.2012)