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In Evros im Nordosten Griechenlands, wo die meisten Flüchtlinge via Türkei ankamen, gleicht die EU-Außengrenze einer Festung. Bald könnten die Griechen selbst wieder kontrolliert werden.

Foto: EPA/NIKOS ARVANITIDIS

In der Europäischen Union werden auf höchsten Ebenen konkrete Planspiele angestellt, welche Auswirkungen ein Zusammenbruch Griechenlands auf die Sicherheitslage in der Union haben könnte. "Es gibt im Rat bereits eine Diskussion darüber, wie man die Grenzen zumachen könnte im Fall eines Ausnahmezustandes", wurde dem STANDARD am Dienstag aus Ratskreisen bestätigt. "Alle Staaten bereiten sich auf eine solche Möglichkeit vor."

Details dazu werden nicht genannt. Zum einen wird befürchtet, dass bei einem Chaos in Griechenland große Geldsummen illegal ins Ausland geschafft werden, die Kriminalität im Land könnte zunehmen. Andererseits ist Griechenland in der Union derzeit der Brennpunkt der Migration, die über die Türkeiroute und das Mittelmeer läuft.

Mehr als eine Million Migranten leben in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land. Die Zahl der Illegalen ist hoch. Die EU hat über ihre Grenzagentur Frontex den Druck auf Athen, die Grenzen besser zu sichern, enorm erhöht. Im Norden wurde die Grenze zur Türkei fast festungsartig ausgebaut.

"Sehr heikle Sache"

Die Notfallpläne seien eine "sehr heikle Sache", sagt ein Experte in Brüssel. Man werde sich angesichts der prinzipiellen Bedeutung des Binnenmarktes und der offenen Grenzen solche Schritte wohl zweimal überlegen. Formal wäre das Schließen der Grenzen durch die Schengen-Partner kein großes Problem - ganz anders als bei dem ebenfalls diskutierten Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, das in den EU-Verträgen nicht vorgesehen und daher juristisch und technisch höchst ungewiss wäre. Aber im Schengen-Vertrag gibt es dazu ein klares Prozedere.

Zunächst müsste geklärt werden, welche Stufe von Bedrohung zur Anwendung kommt. "Angrenzende Länder" könnten im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von sich aus umgehend und für zunächst 30 Tage die Grenzen dicht machen, also Personen- und Warenkontrollen wieder einführen. Das kann um einen weiteren Monat verlängert werden. Dann müsste wohl der EU-Ministerrat über das weitere Vorgehen entscheiden.

Eine Reform der Schengen-Vereinbarungen mit mehr Koordinierungskompetenz durch die EU-Kommission wird seit einem Jahr heiß diskutiert. Die Innenminister beharren auf nationalem Einfluss.

Dass im Notfall kurzfristig angesetzte Grenzkontrollen gut funktionieren, hat sich im Sommer beim Terroranschlag von Anders Breivik in Norwegen auf ein Ferienlager in Utöja gezeigt: Schweden machte damals die Grenzen binnen Stunden dicht.

Österreich kaum betroffen

Österreich, das mit Griechenland keine gemeinsame Grenze hat, wäre von einem solchen Ausnahmezustand kaum betroffen. Die Kontrollen müssten nur auf den Flughäfen erfolgen, die eine direkte Verbindung nach Griechenland haben, also Wien-Schwechat, Graz, Linz, Innsbruck. Dort müsste man übliche Personenkontrollen wie aus Drittländern über sich ergehen lassen.

Sollte der Notfall bald eintreten, wäre das eine Herausforderung für die EU: 16 Millionen Touristen reisen pro Jahr nach Griechenland, die meisten im Sommer. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 30.5.2012)