Papst Benedikt XVI. könnte den ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer, zum Chef der Vatikan-Bank IOR machen, um so dem Konflikt um die Bank ein Ende zu setzen, berichten italienische Medien. Sein Vorgänger, der erzkonservative Nationalökonom Ettore Gotti Tedeschi, war vergangene Woche abberufen worden. Er sei nicht fähig gewesen, die IOR transparent zu führen, hieß es als Begründung.
Tedeschi, ein treues Opus-Dei-Mitglied, ist zweifellos ein fähiger Banker. Allerdings dürfte er nicht den Wünschen einer "Clique" im Vatikan gefolgt sein, die von Tedeschi forderte, das hochverschuldete Mailänder Krankenhaus San Raffaelle und vor allem seinen Gründer, den korrupten Priester Don Verzé, zu retten.
Der inzwischen verstorbene Don Verzé stand dem lombardischen Landeshauptmann Roberto Formigoni nahe. Formigoni selbst ist einer der wichtigsten Akteure der katholischen Bewegung Comunione e Liberazione (Ciellini), die im Vatikan immer mächtiger wird. Auch er steht unter Korruptionsverdacht.
Täglich neue Enthüllungen
Der Vatikan gleicht im Moment einem Wespennest: Hunderte von Intriganten, Monsignori als angebliche Verschwörer und einfache Mitglieder der beiden sich bekämpfenden katholischen Organisationen (Opus Dei und Comunione e Liberazione) liefern sich derzeit einen Machtkampf.
Täglich kommt es zu neuen, pikanten Enthüllungen aus dem Leben seiner Heiligkeit. Papst Benedikt sieht nahezu ohnmächtig zu, wie nicht nur die Vatikan-Finanzen, sondern auch das Image des Kirchenstaates den Bach runter-strömt. Als angeblich Schuldiger steht derzeit offiziell der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele unter Arrest.
Gabriele wird verdächtigt, Dokumente aus dem Vatikan rausgeschmuggelt und an die Öffentlichkeit weitergeleitet zu haben. In Italien glaubt niemand daran, dass Gabriele auf eigene Faust gehandelt habe. Immer wieder wird der Name der Nummer zwei im Vatikan, Kardinal Bertone, genannt. Vatikan-Sprecher Pater Lombardi hat jedoch dementiert, dass ein Kardinal in den Skandal verwickelt sei. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, 30.5.2012)