Ein Thriller mit beißendem Witz und logischem Happy End: "Cómo quieres que te quiera" von Jorge Hugo Marín.

Foto: Moreno

Wien - Der Titel Sobre algunos asuntos de família, also Familienangelegenheiten, ist nicht die einzige Klammer: Jedes der drei Stücke, von der exzellenten Gruppe La maldita vanidad aus Bogotá um den Autor und Regisseur Jorge Hugo Marín als fünfstündiger Marathon im Palais Kabelwerk präsentiert, dreht sich um klaustrophobe Situationen. Wie in der Geschlossenen Gesellschaft gibt es kein Entrinnen. Die Hölle, das sind auch hier die anderen.

Die ersten beiden Einakter, Los autores materiales und El autor intelectual, haben nichts spezifisch Kolumbianisches: Sie könnten genauso gut in Österreich spielen. Und das tun sie im Endeffekt auch. Denn die Theatertruppe griff für ihre realistischen Bühnenbilder auf heimische Requisiten und Produkte zurück.

Im ersten Teil haben drei junge Männer aus Geldnot den Vermieter erschlagen. Zu allem Überdruss kommt die Putzfrau. Jeder würde das Heil in der Flucht suchen, doch keiner lässt die anderen weg: Die Tür ist verriegelt. Jede Lüge zieht weitere nach sich - und irgendwann überreißt die Putzfrau, dass im Bad eine Leiche liegt. Los autores materiales zeichnet sich durch perfekte Dialoge und drastischen Witz in der Tonalität von Quentin Tarantino aus.

Gesellschaftskritik, sehr pointiert, folgt erst im zweiten Teil: Eine junge Mutter ist nicht länger in der Lage, neben dem Baby die demente Mutter des arbeitslosen Mannes zu pflegen; dessen reicher Bruder aber will keine Verantwortung übernehmen: Er wachelt bloß mit ein paar Scheinen. Die Lösung enttäuscht zwar (die Mutter erhängt sich), aber die Schreiduelle sind brillant. Und der Ort der Aufführung ist passgenau gewählt: Das Publikum sitzt neben dem Kabelwerk im Freien, umzingelt von Wohnhäusern, und blickt durch die großen Glasscheiben eines scheinbar leerstehenden Geschäfts in die kleinbürgerliche Wohnung der jungen Familie.

Der dritte Teil, Cómo quieres que te quiera, ein Auftragswerk der Wiener Festwochen, lebt vom Lokalkolorit: Eine neureiche Frau - der Mann, Drogenbaron, sitzt im Gefängnis - schmeißt für ihre Tochter zu deren 15. Geburtstag eine riesige Party. Am Abend davor, während der Probe, passieren eigenartige, die Nerven strapazierende Dinge. Auch dieser Ballsaal ist ein Gefängnis. Doch das Reich und Schön-Happy-End darf natürlich nicht ausbleiben.

Getragen wird die Trilogie vor allem von Ella Becerra: Während des langen Abends spielt sie sich empor - von der redseligen Putzfrau über die Tussen-Ehefrau des reichen Bruders bis zur schrillen Society-Mutter. Beachtlich. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 29.5.2012)