"Als ich gestern mit Haneke gefrühstückt habe", erzählte ein gut gelaunter Jean-Louis Trintignant dem STANDARD in Cannes, "habe ich ihn gefragt, ob er lieber einen kommerziellen Erfolg landen oder die Goldene Palme gewinnen will. Und er hat geantwortet: 'Beides!'"

Ersteres ist Michael Haneke mit Amour nun eindrucksvoll gelungen. Letzteres wird mit der Auszeichnung und einem Hauptdarsteller, mit dem mehrere Generationen Erinnerungen verbinden, auch möglich sein. Doch die Rechnung ist noch nicht gemacht. Es ist schwierig geworden, sich im schwer umkämpften Markt der Arthouse-Kinos zu bewähren. In Österreich ist der Marktanteil heimischer Filme nach kurzem Höhenflug auf 3,6 Prozent gesunken - so gering wie in kaum einem anderen EU-Land.

Die Gründe dafür sind zahlreich. Sie haben mit der zu geringen Wertschätzung von Filmkultur zu tun: Österreichs filmwirtschaftliche Investments sind zu gering, auch das filmvermittlerische Engagement lässt zu wünschen übrig. Diese Nachlässigkeit drückt sich schon darin aus, dass es Kulturministerin Claudia Schmied nicht für nötig befand, nach Cannes anzureisen, obwohl es mit Ulrich Seidl und Haneke gleich zwei österreichische Regisseure in den Wettbewerb geschafft hatten. Schon ohne Palme ist das ein eindrucksvoller Beleg für die internationale Wertschätzung des heimischen Kinos, um die uns Nationen wie Deutschland beneiden.

Der Erfolg von Haneke kommt überdies zu einem Zeitpunkt, in dem aufgrund von Neujustierungen in den Filmförderungen die Nervosität unter heimischen Produzenten wächst. Die Geschäftsführerin des Filmfonds Wien, Gerlinde Seitner, hat in einem Profil-Interview anlässlich der Diagonale durchblicken lassen, dem Wunsch nach publikumswirksameren Produktionen stärker entsprechen zu wollen. Wie schnell jedoch eine vermeintlich populäre Ausrichtung scheitern kann, haben schon vor ihrer Amtszeit Filme wie die Kottan-Neuauflage gezeigt. So leichtfertig sollte man Renommee nicht verspielen.

Stattdessen sollte Hanekes Erfolg ein Auftrag sein, für geeignetere Produktionsbedingungen der heimischen Filmschaffenden zu sorgen - und dafür benötigt es einfach mehr Geld. Nur wer die Möglichkeit kontinuierlicher Beschäftigung hat, kann sich auch entsprechend entwickeln. Nur ein diversifizierter Markt lässt ästhetische Spielarten zu und steigert das Publikumsinteresse. (kam, DER STANDARD, 29.5.2012)