Wien - Was werden unsere Kinder dereinst über uns berichten? Diese Frage steht am Ende von El rumor del incendio (Die Sprache des Feuers), einem eineinhalbstündigen Dokumentationsspiel, das die mexikanische Gruppe Lagartijas tiradas al sol (Eidechsen, die sich sonnen) bei den Wiener Festwochen im Brut-Theater im Künstlerhaus präsentierte.

In dem Produkt eines Rechercheprojekts über die revolutionäre Vergangenheit ihres Heimatlandes erzählen die jungen Ober-Lagartijas Luisa Pardo und Gabino Rodríguez gemeinsam mit dem Schauspieler Francisco Barreiro vom exemplarischen Leben der Guerillera und Historikerin Margarita Urías Hermosillo. Dabei gehen Erzähl- und Spielszenen ineinander über, werden Dokumente und Fotos auf die Leinwand projiziert, dazu aus dem Archiv gefischtes und live gedrehtes Filmmaterial. Die als Grünfläche im Urwald gestaltete Bühne wird zur Spielwiese für Guerillaaktionen mit Plastiksoldaten und ferngesteuerten Autos. Zitate werden wie Dominosteine aneinandergelegt, Luftgitarren geschlagen.

Der Abwechslungsreichtum der Darstellung ist notwendig, verlangt das Vorgetragene dem Publikum doch einiges ab. Unzählige Entführungen, Folterungen und als tragischer Höhepunkt das Massaker von Tlatelolco, bei dem 1968 hunderte Studenten auf Geheiß der De-facto-Einheitspartei PRI ermordet wurden, sind harter Stoff. Auch die enorme, im Eiltempo durchgangene Faktenfülle ist mehr als fordernd.

Dies wird mit der Zeit immer problematischer, da Hermosillo im Alter kaum noch in die wogenden Auseinandersetzungen involviert ist und als emotionaler Ankerpunkt zunehmend verschwindet. Erst als ihre 1983 geborene Tochter das Wort ergreift, um vom Tod Hermosillos zu erzählen, gewinnt die Aufführung wieder jene Kraft, die unter dem Gewicht all der Namen und Daten verloren schien. Mit einem einzigen Zündholz setzt sie zuletzt die Welt in Brand. (Dorian Waller, DER STANDARD, 26./27./28.5.2012)