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Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt, Apotheker - oder den Verkäufer bei dm? Der Drogeriemarkt drängt auf die Liberalisierung des Verkaufs von rezeptfreien Medikamenten.

Foto: AP/Probst

Wien - Es war bloß ein Nebensatz in der Pressestunde mit Karl Blecha und Andreas Khol, dem rot-schwarzen Seniorenduo, vor wenigen Wochen: Um ihre Klientel finanziell zu entlasten, sollen nichtrezeptpflichtige Medikamente künftig auch in Drogerien verkauft werden können, sagten die beiden.

Hintergrund des Ansinnens ist das Lobbying, das der Drogeriemarkt dm seit einigen Monaten bei den Pensionistenvertretern betreibt. In einem Brief an den Österreichischen Seniorenrat, den Dachverband der Seniorenorganisationen, preist das Unternehmen die Vorteile, die eine Liberalisierung des Marktes hätte. Die Apotheker, heißt es in dem Schreiben, das dem STANDARD vorliegt, hätten "kaum Ambitionen, in Richtung Hersteller auf möglichst niedrige Einkaufspreise zu drängen", zusätzlich bestehe "kein Interesse, den Konsumenten auf preisgünstige Alternativen im Bereich der Generika hinzuweisen".

Das führe dazu, "dass die Endverbraucher unnötig hohe Ausgaben für rezeptfreie Arzneimittel haben", schreibt dm-Geschäftsführer Harald Bauer an Khol, der derzeit Präsident des Seniorenrates ist. Mit der Forderung nach mehr Wettbewerb sieht er sein Unternehmen "in einer Interessengemeinschaft insbesondere mit der älteren Generation in unserem Land".

Umstrittene Allianz

Trotz des Vorstoßes in der Pressestunde dürfte diese "Interessengemeinschaft" seniorenintern nicht unumstritten sein. Man sei laufend in Gesprächen, erfuhr der STANDARD, eine Entscheidung sei aber noch nicht in greifbarer Nähe. Auch dm-Unternehmenssprecher Stefan Ornig hält den Ball auf Anfrage flach. Beim Lobbying gehe man schlicht und einfach "danach vor, wer ein Interesse an dem Thema hat", und das seien nun einmal Gruppen mit geringem Einkommen und hohem Medikamentenbedarf. Neben den Senioren sei man auch dabei, zu Familienorganisationen Kontakt aufzunehmen. Und im Übrigen habe man längst Erfahrung mit Arzneimittelverkauf: dm kooperiert mit dem Schweizer Medikamentenversender "Zur Rose". In Österreich sind Internetapotheken verboten, der Versand aus dem Ausland ist aber erlaubt.

Von alldem wenig angetan ist naturgemäß die Apothekerkammer. Nicht zuletzt, da dort am 20. Juni ein neuer Präsident gewählt wird, regt sich nun Widerstand gegen den bisherigen öffentlichen Auftritt der Kammer. Für Ulrike Mursch-Edlmayr, Apothekerin aus Oberösterreich, die mit dem amtierenden Präsidenten Heinrich Burggasser um dessen Amt konkurriert, wurde bei den Seniorenvertretern viel zu spät Aufklärungsarbeit geleistet. Sie vermisst überhaupt eine ausreichende Positionierung der Kammer als wichtigen Player in der Gesundheitspolitik. Die Apotheker seien "für die umfassende Arzneimittelversorgung der Österreicher verantwortlich", sagt Mursch-Edlmayr, da müsse man sich besonders um Arzneimittelsicherheit und Wechselwirkungen kümmern.

Fatale Kombinationen

Für die gesamte Kammer steht die Liberalisierung des Marktes im krassen Widerspruch zur E-Medikation, bei der alle an eine Person abgegebenen Medikamente elektronisch dokumentiert werden sollen, um eben mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden. Denn auch scheinbar harmlose Präparate wie Aspirin könnten sich in Kombination mit anderen Pillen fatal auswirken, betont die Apothekerkammer.

Über die E-Medikation hat man sich bei dm bereits Gedanken gemacht. Der Drogeriemarkt wolle "auf jeden Fall" mitmachen, sagte Sprecher Ornig dem STANDARD. Eine Idee, von der man im Gesundheitsministerium wenig angetan ist. Das sei "aus Sicherheitsgründen sehr schwierig", sagt ein Sprecher von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Grundsätzlich dürfte dm in ihm keinen Fürsprecher finden: Vorrang, so heißt es aus seinem Ressort, hätten Medikamentensicherheit und die Qualität der Beratung. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 26./27./28.5.2012)