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Drei von 17 Ministerinnen: Frankreichs neue Wohnbauministerin Cécile Duflot,...

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...die neue Sozialministerin Marisol Touraine,

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

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...und Kulturministerin Aurelie Filippetti.

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Die französische Politik war bisher eine Männerdomäne. Als man Charles de Gaulle einmal die Einrichtung eines Frauenministeriums nahelegte, antwortete er sarkastisch: "Warum nicht gleich ein Ministerium fürs Stricken?" Jacques Chirac war bei seinen Beraterinnen als "Monsieur zehn Minuten - inklusive Dusche" gefürchtet, Dominique Strauss-Kahn als Begleiter in Fahrstühlen. Vor diesem Hintergrund ist die Zusammensetzung der neuen Regierung in Frankreich zu sehen.

Exakt die Hälfte der neuen Minister sind Frauen: 17 von 34. Der sozialistische Neo-Staatschef François Hollande erfüllt damit ein zentrales Wahlversprechen.

Die Geschlechterparität auf Regierungsebene hat, zumindest in Frankreich, eine wenig rühmliche Geschichte: 1991 ernannte François Mitterrand mit Edith Cresson erstmals in der französischen Geschichte eine Premierministerin. Nicht einmal ein Jahr später wurde sie wieder entlassen.

Politstars über Nacht

1995 berief Premierminister Alain Juppé gleich ein Dutzend Frauen in seine Regierung. Sie hielten sich nicht einmal ein halbes Jahr im Amt; fast pausenlos wechselte der gaullistische Regierungschef die "Juppettes" - so ihr Spottname - gegen Männer aus.

2007 nominierte Präsident Nicolas Sarkozy mit Rachida Dati, Rama Yade und Fadela Amara gleich drei Ministerinnen afrikanischer Herkunft. Sie wurden über Nacht zu Politstars, aber ebenso rasch fallen gelassen und in die Wüste geschickt, als sie ihre Imagepflicht erfüllt hatten.

Unter Hollande sollte sich die Lage für Frauen in der Politik quantitativ wie qualitativ ändern - allerdings wegen der Ministerinnen, und nicht wegen Hollande selbst. Auch wenn sich der 57-jährige Sozialist auch privat gerne mit starken Frauen wie Ségolène Royal oder heute Valérie Trierweiler umgibt: Ein Feminist ist er mitnichten. Schon vor der Regierungsbildung hatte er erklärt, "parité" bedeute nicht "gleiche Verantwortung". Mit Ausnahme des Justizressorts (Christiane Taubira) belässt er alle Schlüsselministerien in männlicher Hand.

Mit seiner Parität will Hollande vor allem die Heuchelei der bürgerlichen UMP offenlegen: Diese verletzt vor den Parlamentswahlen im Juni vorsätzlich das Gesetz, das seit Jahren schon eine Genderbalance auf den Kandidatenlisten vorschreibt. Die UMP stellt bloß 26 Prozent Frauen auf und nimmt sogar in Kauf, eine Millionenstrafe zu zahlen. Die Sozialisten gehen immerhin mit einer 45-Prozent-Quote ins Rennen, viele Frauen allerdings in aussichtslosen Wahlkreisen.

Zeitenwende

Trotz ganz offensichtlich taktischer Überlegungen Hollandes bedeuten die 17 Ministerinnen eine Zeitenwende für die französische Politik. Erstmals sind die Frauen nicht mehr in der Minderheit; erstmals sind sie nicht nur PR-Gadget oder personelle Manövriermasse. Der Präsident hat - auch ohne Martine Aubry und oder Ségolène Royal - eine Reihe sehr selbstbewusster Frauen berufen. Darunter sind die grüne und betont feministische Wohnbauministerin Cécile Duflot und Kulturministerin Aurélie Filippetti, die nach den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Strauss-Kahn als erste Sozialistin offen auf Konfrontation zu DSK ging.

Die neue Sozialministerin Marisol Touraine, eine der wichtigsten Frauenrechtlerinnen Frankreichs, hatte Sarkozy im Wahlkampf vorgeworfen, er sei reaktionär, weil er gegen die anonyme - das heißt: ohne Wissen der Eltern erfolgende - Abgabe der Pille an minderjährige Schülerinnen sei.

Solche Ministerinnen werden sich mit der Statisten- oder Feigenblattrolle, die ihnen bisher zugedacht wurde, nicht zufriedengeben. Sie stehen erst am Anfang ihres Amtes, aber eines ist schon jetzt sicher: So leicht wie Juppé wird sich Hollande ihrer nicht entledigen können. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 26.5.2012)