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Warum stehen Spanien, Portugal und Griechenland so schlecht da fragt Ökonom João das Neves und hat auch Antworten.

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João das Neves: "Jetzt will man uns schon wieder Milliarden nachschmeißen?"

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Standard: Die EU möchte im Juni auf Drängen von Frankreichs Präsident François Hollande ein Wachstumspaket auflegen, um die schwache Konjunktur zu fördern. Das klingt doch gut?

Neves: Die Idee Hollandes mag gut klingen, wird aber nicht funktionieren. Die wichtigste Frage lautet: Warum stehen Spanien, Portugal und Griechenland so schlecht da? Weil es in den vergangenen 15 Jahren massenhaft billige Kredite gegeben hat, mit denen unproduktive Wirtschaftssektoren am Leben erhalten wurden. Nehmen Sie den Bau- und Telekommunikationssektor in Spanien: Dort sind hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen worden, die auf Dauer nicht haltbar waren. Das billige Geld hat für die Entstehung einer Blase gesorgt. Und jetzt will man uns schon wieder Milliarden nachschmeißen? Das ist idiotisch.

Standard: Aber Spanien, Portugal und Griechenland haben doch von EU-Fördergeldern lange profitiert.

Neves: Die Fördergelder waren eine großartige Idee. Vor 30 Jahren. Portugal und Spanien waren damals verarmt und ohne Infrastruktur. Die EU hat geholfen, diese Lücke zu schließen. Aber in den vergangenen zehn Jahren wurde in Portugal mit dem EU-Geld eine Autobahn über deren anderen gebaut. Dann wurden unzählige Sonderindustriezonen eingerichtet, in die Unternehmen angelockt werden sollten. Das Resultat ist, dass die Straßen kaum befahren werden und die Sonderindustriezonen leer stehen.

Standard: Wäre es nicht Aufgabe des Staates, die Wachstumsbranchen für die Zukunft festzulegen und diese zu fördern?

Neves: Woher soll der Staat wissen, welche Branchen es zu fördern gilt? Steckt die Zukunft Spaniens und Portugals in Internettechnologie, in Genetik oder in Solarenergie? Wenn der Staat Dynamik schaffen will, kann es gut sein, dass das Ganze nach hinten los geht und er die falsche Dynamik schafft. Die Unternehmen in den Südländern müssen produktiver werden. Sie müssen die Versäumnisse der vergangenen 15 Jahre aufholen. Das geht nicht durch Konjunkturprogramme. Also liebe Deutsche, liebe Österreicher: Schickt kein Geld, es hat keinen Sinn, wenn ihr hier Programme finanziert. Diese Mittel würden nur dafür sorgen, dass wir für weitere 15 Jahre in einen Schlafzustand verfallen. Lasst die Unternehmen selber Innovation schaffen.

Standard: Aber ist Ihre Argumentation angesichts einer Arbeitslosenrate von 24 Prozent in Spanien und 15 Prozent in Portugal nicht zynisch. Irgendwas muss doch getan werden? Eine Idee wäre, mehr Geld für Bildung auszugeben.

Neves: Es sollte etwas im Bildungssystem getan werden. Aber kein Unternehmen wird erfolgreich sein, nur weil seine Mitarbeiter die Geschichte des 13. Jahrhunderts auf der Uni gelernt haben. Für einen großen Teil der Jobs, die es heute gibt, wie Software-Programmierer und IT-Spezialisten, ist ein abgeschlossenes Studium gar nicht nötig. Ich bezweifle also, dass Investitionen in die klassische Ausbildung viel helfen werden. Wenn schon, müsste man die Fortbildung in Unternehmen fördern. Aber auch das ist nicht so einfach. Zudem gibt es ein viel grundlegenderes Problem.

Standard: Welches?

Neves: Was wir gerade zu spüren bekommen, ist im Grunde eine Folge der Globalisierung und des Computerzeitalters. Millionen von Arbeiten, die früher von Europäern oder Amerikanern gemacht wurden, erledigen heute Computer, und wenn nicht, dann tun es Inder oder Chinesen. Diese Jobs sind weg. Viele der freien Stellen, die es gibt, zum Beispiel in der Landwirtschaft, will zumindest in Portugal und Spanien niemand haben. Manche Ökonomen behaupten, dass die Wirtschaftskrise eine Folge dieser Umwälzungen am Arbeitsmarkt war. Um die Auswirkungen der Jobvernichtung zu lindern, wurden in den USA und Europa billige Kredite vergeben. Dieses System der künstlichen Konjunkturförderung brach zusammen und hat im Endeffekt die notwendige Transformation erschwert. (András Szigetvari, DER STANDARD; 26./27.5.2012)