Die Niederländerin Joan mit Federschmuck und Lagerfeuerromantik aus der Zuschauerperspektive.

 

Foto: Marco Schreuder

So sieht die LED-Wand aus und beeindruckt vor allem in der Halle.

 

Foto: Marco Schreuder

Am Donnerstagabend entscheidet sich, welche weiteren 10 Teilnehmer ins Finale kommen. 16 Länder kennen wir schon. Das sind die 10 GewinnerInnen aus dem 1. Semi sowie die Top 5 und Titelverteidiger Aserbaidschan. Von 8 Ländern müssen wir uns am Abend verabschieden. Es voten beim 2. Semifinale nur die teilnehmenden Länder sowie Deutschland, Großbritannien und Frankreich. In Österreich kann man also diesmal für keinen Song anrufen. Außer man lebt in Empfangsweite slowakischer, slowenischer oder deutscher Netzbetreiber.

Am Mittwoch konnte ich wieder das so genannte Dress Rehearsal besuchen. Auch die Jurys sahen diese Probe und gaben ihre Punkte bereits ab. Die restlichen 50% der Punkte werden am Donnerstagabend mittels Televoting ermittelt.

Die Startliste

Das zweite Semifinale ist eindeutig schwerer vorherzusagen als das erste, das am Dienstag über die Bühne ging. Denn einige Ex-Sowjet- sowie viele Ex-jugoslawische Staaten könnten durch die Punktevergabe das Ergebnis ganz anders aussehen lassen, als man vermuten möchte. Ich werde es trotzdem mal probieren. Für drei Beiträge brauchte ich übrigens den Text nur zu copypasten.

1. Serbien: Željko Joksimović - Nije ljubav stvar

Der Veteran des ESCs 2004 erreichte er als serbischer Interpret den 2. Platz, 2006 als Komponist für Bosnien den 3. Platz, und 2008 war er sowohl Komponist (8. Platz) als auch Moderator der Show. Sein Beitrag ist ein typischer Joksimović: Ein bisschen Pop, ein bisschen Ethno, ein bisschen Pathos. Wird insgesamt gut abschneiden.
- Chancen fürs Finale: hoch

2. Mazedonien: Kaliopi - Crno i belo

Fast hätte sie bereits 1996 teilgenommen, nur gab es damals noch keine Semifinali, und sie scheiterte in der nicht-öffentlichen Vorausscheidung (übrigens so wie Deutschland, weswegen 1997 die Top 5-Regelung eingeführt wurde). Eine sehr einprägsame Stimme zwischen Ballade und Rock. Mir gefällt das.
- Chancen fürs Finale: Vermutlich weiter

3. Niederlande: Joan - You And Me

Als gebürtiger Niederländer habe ich vielleicht eine oranje Brille auf, aber ich finde es ein entzückendes Lied! Die Federtracht am Kopf ist dafür - nun ja - gewöhnungsbedürftig. Jedenfalls macht sich Lagerfeuer-Feeling breit. Ein Lied, das glücklich macht.
- Chancen fürs Finale: Prinzip Hoffnung, aber ob Ukraine, Estland und Co. für so was anrufen?

4. Malta: Kurt Calleja - This Is The Night

Wir haben bessere Partysongs gehört. Sehr viel bessere! In der ersten Minute ist es auch noch ganz gefällig, die zwei weiteren Minuten sind dann aber nur noch langweilig. Also muss man künstlich Partystimmung verbreiten: Viel Pyro und an der LED-Wand hunderte klatschende Hände.
- Chancen fürs Finale: gering

5. Belarus: Litesound - We Are The Heroes

Wer beim ESC darüber singt, dass man ein Gewinner oder gar ein Held sei, verliert immer. Ein paar nette Jungs spulen ein langweiliges Lied runter. Eine Diskussion, ob der ESC 2013 im Lukaschenko-Land augerichtet werden darf, bleibt uns wohl erspart. Klopause für Startnummer 5 einplanen!
- Chancen fürs Finale: gering

6. Portugal: Filipa Sousa - Vida minha

Portugal nimmt seit 1964 teil, hat aber noch nie gewonnen. Alle Fans würden gerne mal nach Lissabon fahren, was 2013 aber auch nicht passieren wird. Zwar durfte der 2008 halbwegs erfolgreiche kroatische Komponist Andrej Babić wieder ran, aber so richtig abgehen will diese Nummer nicht. Könnte auch aus dem Jahr 1991 stammen.
- Chancen fürs Finale: Leider eher gering

7. Ukraine: Gaitana - Be My Guest

Ob sich das Lied an Merkel richtet? Schwulendisco trifft Fußballhymne. Gaitana kreischt sich durch einen Song, der auch von Gloria Gaynor hätte sein können. Die gesangliche Darbietung verlangt in der Halle nach Ohropax. Manchmal wäre weniger mehr. Ich mag dieses Lied ja gar nicht.
- Chancen fürs Finale: Trotzdem leider sehr hoch

8. Bulgarien: Sofi Marinova - Love Unlimited

In Bulgarien ist die Roma-Sängerin ein Superstar, und sie sang auch schon bei einem Romani-Festival im Europaparlament. Warum Sofi Marinova bei einer guten Disconummer ganz alleine auf der Bühne steht, ohne irgendwelche performativen Elemente einzusetzen, bleibt ein Rätsel. Dafür kommt am Ende die schönste Pyro des Abends.
- Chancen fürs Finale: Wird knapp.

9. Slowenien: Eva Boto - Verjamem

Eine junge Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien steht auf der Bühne und singt vermutlich etwas über die Liebe - und das macht sie ganz, ganz traurig.
- Chancen fürs Finale: vermutlich weiter

10. Kroatien: Nina Badrić - Nebo

Eine junge Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien steht auf der Bühne und singt vermutlich etwas über die Liebe - und das macht sie ganz, ganz traurig.
- Chancen fürs Finale: wird knapp, eher raus

11. Schweden: Loreen - Euphoria

Nach dem ersten Lied mit Startnummer 11 endlich wieder eine Topfavoritin für den Sieg. Loreen (die bei mir mittlerweile einen Stein im Brett hat) stürmt derzeit zurecht die Charts in Europa. Ihre Performance (und ihre Frisur) ist durchaus gewöhnungsbedürftig, aber Lied, Stimme und Auftritt sind auffällig und fesselnd.
- Chancen fürs Finale: eine Bank

12. Georgien: Anri Jokhadze - I'm A Joker

Das ist sogar noch miserabler als San Marino. Gefühlte 35 Songs werden in einen gepackt. Zwar hat der Sänger eine gute Stimme, aber der Song ist jenseits und kann nichts außer nerven. Das wirklich Beunruhigende: Das gefällt hier vielen Menschen!
- Chancen fürs Finale: Bitte raus. Bitte!

13. Türkei: Can Bonomo - Love Me Back

Der sephardische Jude aus der Türkei ist ein weiterer Favorit für den Sieg am Samstag. Da hat Tex Rubinowitz vollkommen recht. Die Performance macht Spaß und bezaubert. Und wie das Segelboot dargestellt wird, mit dem Can die Ozeane erobern möchte, ist einfach bezaubernd. Mit Loreen ein Höhepunkt des Abends.
- Chancen fürs Finale: sehr hoch

14. Estland: Ott Leppland - Kuula

Da können die Länder des ehemaligen Jugoslawiens noch so viele Balladen nach Baku schicken: Estland schickt eindeutig die schönste von allen, wird aber aus ebendiesen Ländern weniger Punkte erhalten. Ein schöner Mann fesselt nur mit Lied und Stimme.
- Chancen fürs Finale: knapp, aber ich hoffe sehr!

15. Slowakei: Max Jason Mai - Don't Close Your Eyes

Man muss den Nachbarn einfach mal einen Finaleinzug gönnen! Und dieses Jahr könnte es endlich klappen, weil das Lied ein Alleinstellungsmerkmal hat: Hardrock, Leder, entblößte Brust - und ab geht die Post! Der Mann rockt. Pech nur, dass Finnland nicht votet, denn die mögen so was. Hardrock beim ESC ist unberechenbar.
- Chancen fürs Finale: Keine Ahnung.

16. Norwegen: Tooji - Stay

Norwegen bleibt multikulturell. Voriges Jahr war es Suaheli, heuer singt der im Iran geborene Tooji in Baku. Das Lied ist ein Tanzkracher mit persischen Elementen. Leider konnte seine Stimme live nicht so wirklich beeindrucken, aber das konnte der Schwede Eric Saade 2011 auch nicht und wurde Dritter.
- Chancen fürs Finale: vermutlich weiter

17. Bosnien & Herzegowina: Maya Sar - Korake ti znam

Eine junge Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien steht auf der Bühne und singt vermutlich etwas über die Liebe - und das macht sie ganz, ganz traurig.
- Chancen fürs Finale: eher raus

18. Litauen: Donny Montell: Love Is Blind

Ein junger Mann singt, dass die Liebe blind ist. Also verbindet er sich erstmals die Augen. Und was als Ballade beginnt, entwickelt sich dann zu einem gefälligen Popliedchen, das aber weiter nicht besonders auffällt.
- Chancen fürs Finale: wird knapp

Am Ende der Show gibt es übrigens ein Wiedersehen mit allen GewinnerInnen der vergangenen fünf Jahren. Und am Ende verunstalten sie auch noch Abbas "Waterloo". (Marco Schreuder, derStandard.at, 24.5.2012)