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Nationalliberaler Crin Antonescu: "Solide Mehrheit."

Foto: Reuters/Sigheti

Das rumänische Parlament hat am Dienstag ein äußerst umstrittenes neues Wahlgesetz verabschiedet. Dadurch wird ein nach Wahlkreisen aufgeteiltes, reines Personenwahlrecht mit nur einem Wahlgang eingeführt und die Fünfprozenthürde für den Einzug der Parteien ins Parlament abgeschafft. Die oppositionellen Liberaldemokraten (PDL) wollen das Gesetz beim Verfassungsgerichtshof anfechten, zahlreiche NGOs sehen darin eine Gefährdung der Demokratie.

Bisher wurde nach einem gemischten Personen- und Verhältniswahlrecht gewählt, das nicht nur undurchschaubar, sondern mitunter auch widersprüchlich war: In einigen Fällen erhielt aufgrund komplizierter Regelungen zur Neuverteilung der Mandate nicht der nach den Stimmen erstgereihte, sondern der zweitgereihte Kandidat das Mandat.

Vom neuen System erhofft sich das regierende Mitte-links-Bündnis Sozialliberale Union (USL) aus Sozialdemokraten (PSD) und Nationalliberalen (PNL) einen beträchtlichen Vorteil bei den Parlamentswahlen im November 2012. Eine Zustimmung von etwa 50 Prozent, die sie derzeit laut Umfragen hat, könnte der USL im künftigen Parlament eine viel deutlichere Mehrheit bringen.

Dass eine Partei mit 45 Prozent der Stimmen 80 Prozent der Parlamentsmandate erhält, sei verfassungswidrig, gibt PDL-Senatsfraktionschef Cristian Radulescu zu bedenken. Viele sehen im neuen System auch eine Maßnahme gegen den Aufstieg neuer populistischer Parteien. Für PNL-Chef Crin Antonescu bietet das "uninominelle Wahlsystem" nach angelsächsischem Muster "die Chance einer soliden Mehrheit".

Gerade das daraus resultierende Zweiparteiensystem sei jedoch für die noch unreife rumänische Demokratie gefährlich, meinen zahlreiche Experten, da mit einer so komfortablen parlamentarischen Mehrheit ohne Weiteres Verfassungsänderungen durchgezogen werden könnten. Widerstand kommt zudem von zahlreichen Bürgerrechtsorganisationen. Sie weisen darauf hin, dass das neue Wahlgesetz die Ergebnisse einer Volksbefragung von 2009 missachte, bei der sich eine überwiegende Mehrheit für die Verkleinerung des Parlaments auf maximal 300 Sitze und nur noch eine Kammer ausgesprochen hatte.

Dagegen wächst das Parlament nunmehr um bis zu zehn Sitze, weil auf Druck der Minderheiten ein zusätzlicher Artikel eingefügt wurde, der für Landeskreise mit einem mehr als siebenprozentigen Minderheitenanteil an der Gesamtbevölkerung ein zusätzliches Abgeordnetenmandat vorsieht.

Der Ungarnverband UDMR als politische Organisation der größten Minderheit in Rumänien enthielt sich der Stimme. UDMR-Chef Hunor Kelemen meinte : "Die Abänderung eines Wahlsystems fünf Monate vor den Wahlen ist ein Fehler und wird sich wie ein Bumerang gegen die Initiatoren wenden."

Die Abschaffung der Fünfprozenthürde gilt als Wahlgeschenk an die Fortschrittspartei (UNPR), die im derzeitigen Parlament die Regierung stützt, laut Umfragen jedoch unter der Hürde bleiben würde. (Laura Balomiri aus Bukarest /DER STANDARD, 24.5.2012)