Dominik Steiger (li.), Andrea Schurian und Günter Brus sprachen über ihr vielseitiges Zusammenwirken in der Kunst.

Foto: Lackner/Joanneum

Graz - "Sein Zeichnen hat mich beeindruckt", erinnert sich Dominik Steiger an die frühen Jahre seiner Freundschaft zum Aktionisten, Maler, Zeichner und Dichter Günter Brus, "wie Günter zeichnet, das ist ein sehr seltenes Talent".

Steiger, selbst ein lebenslanger Wanderer zwischen den Sparten, wurde durch Joseph Beuys, der einige Monate bei ihm in Wien wohnte, zum Zeichnen inspiriert. Brus und Steiger erzählten am Dienstagabend im Auditorium des Joanneums im Gespräch mit Standard-Kulturressortleiterin Andrea Schurian von ihren Jahren in Berlin. Die Stadt wurde bekanntlich zum Exil für Brus, nachdem er in Österreich wegen Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

Da Brus die bald darauffolgende Gesetzesnovelle, nach der Geldstrafen statt Haft verhängt wurden, niemand ausrichtete, habe er "jahrelang umsonst in Berlin gezittert".

Umsonst ist relativ, denn im Berlin der 1970er-Jahre und in Oswald Wieners Beisl "Exil" am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg, arbeitete, dachte und trank Brus u. a. mit Wiener, der sich für sein Lokal das Kochen beibrachte, Hermann Nitsch, Dieter Roth, Gerhard Rühm und Steiger. Man gründete die "Österreichische Exilregierung" und deren Staatsorgan, die "Schastrommel".

"Manisch" habe er damals gezeichnet, erinnert sich Brus, sogar die Damast-Tischdecken im "Exil" blieben nicht verschont. Das legendäre in Leder gebundene Buch Schmale Renaissance 18 (der Titel war der Name einer Schriftart der Setzer), in dem sich die Künstler-Stammgäste im "Exil" verewigten, liegt derzeit in der Ausstellung Zusammenwerken - Zusammenwirken im Bruseum.

In der Schau werden die vielen Kooperationen von Brus mit anderen Künstlern, neben den genannten auch Christian Ludwig Attersee und Arnulf Rainer, gezeigt. In den 1980er-Jahren machte Brus auch Filme mit Otto Mühl und anderen Friedrichshof-Kommunarden, spielte selbst - wie auch seine Frau Anna Brus - mit. Erst vor wenigen Jahren entstand ein kongenialer Zyklus mit dem jungen Mexikaner Enrique Fuentes, der Malereien von Brus bearbeitete.

Steiger und Brus schickten sich viele Jahrzehnte davor jeden Mittwoch ein von einem der beiden begonnenes Blatt zu, das der jeweils andere vollendete. Formal waren darauf aufgeschlagene Bücher zu sehen, in und um die sich die Figuren und Wörter tummelten. Dabei habe Brus, als er sich auf einer griechischen Insel aufhielt, auch Hürden "wie den griechischen Postweg überwinden müssen". Trotzdem hielt man durch. Der besondere Briefverkehr wurde später im Buch Jeden jeden Mittwoch - Ein Zwoman veröffentlicht.

Dass der Humor ein Bindeglied zwischen den Männern war, sieht man den fröhlich grinsenden jungen Männern auf lebensgroßen alten Fotografien in der Schau an. Anekdoten, die davon berichten, wussten Steiger und Brus viele: Etwa vom Tischtennisturnier, das Hermann Nitsch, "trotz seiner kurzen Arme" (Brus) gewann, oder von einem "Ständchen", das Brus und Wiener vor einem Berliner Krankenhaus nachts nach einem ihrer Konzerte namens Selten gehörte Musik spielten - nicht ohne alle Patienten zu wecken.

Wehmütig stellte Brus fest, dass er die typischen Künstlercafés, in denen man sich seinerzeit, vor der Ära der Chatrooms und Social Media, traf, um "gemeinsam zu brüten" (Steiger), vermisst, denn: "So etwas gibt es nicht mehr."   (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 24.5.2012)