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Rund 300 der 1196 Inseln auf den Malediven sind bewohnt. Die meisten Inseln liegen nur einen Meter über dem Meeresspiegel. Um auf den Untergang des Inselparadieses hinzuweisen, fand 2009 eine Kabinettssitzung unter Wasser statt.

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"Wir müssen bereits Bewohner umsiedeln. Der Meeresspiegel steigt", sagt Mohamed Nasheed.

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STANDARD: Sie sind am 7. Februar 2012 nach einem Putschversuch als Präsident zurückgetreten. Wie ist die derzeitige politische Situation auf den Malediven?

Nasheed: Wir haben die ersten demokratischen Wahlen 2008 gehabt. Unsere Partei konnte gewinnen, die 30-jährige Diktatur von Maumoon Abdul Gayoom ist gefallen. Dann ist er mit seinen Anhängern nach einem Militär- und Polizeiputsch zurückgekommen. Sie sind jetzt mit Mohammed Waheed Hassan wieder an der Macht, sie wollen keine freien Wahlen abhalten. Ich verlange eine genaue Untersuchung, was vorgefallen ist. Aber es ist offensichtlich, dass es ein Putsch war.

STANDARD: Wie angespannt ist die Situation?

Nasheed: Die Menschen sind fast jeden Tag auf den Straßen. Sie protestieren, um auch die internationale Gemeinschaft darauf aufmerksam zu machen. Wir wollen freie Wahlen so bald wie möglich. Wir sind zurück im Wahlkampf. Wenn vorgezogene Wahlen stattfinden, wollen wir bereit sein.

STANDARD: Die nächsten Wahlen sind erst für Ende 2013 avisiert.

Nasheed: Dann hat sich die Diktatur wieder festgefahren. Ich habe die Angst, dass freie Wahlen so spät überhaupt nicht mehr stattfinden können. Die Verantwortlichen sind bald wieder zurück in ihrer alten Handlungsweise. Das wollen wir vermeiden. Wir hatten vor 2008 so lange keine freien Wahlen.

STANDARD: In Ihrer Amtszeit haben Sie international auf die Gefahren des Klimawandels für Ihr Land hingewiesen. Wird Umweltschutz - ein recht problematisches Thema auf den Malediven - auch im Wahlkampf behandelt?

Nasheed: Umweltschutz ist ein Thema, das die meisten Malediver mit ihren eigenen Augen sehen. Sie leben mit den Elementen. Sie müssen sie schützen, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, was mit der Umwelt um einen herum passiert. Aber viel dringender ist, die internationale Gemeinschaft auf die Gefahr der globalen Erwärmung aufmerksam zu machen.

STANDARD: Sie wurden 2009 bekannt, als Sie eine Sitzung Ihres Kabinetts unter Wasser abhielten. Hat die Aufmerksamkeit etwas gebracht?

Nasheed: Die Menschen haben die einfache Botschaft hinter dieser Aktion verstanden: Der steigende Meeresspiegel ist ein ernsthaftes Problem.

STANDARD: Ist Klimawandel auf den Malediven bereits sichtbar?

Nasheed: Wir erfahren drastische Veränderungen bei unseren Jahreszeiten. Und die Menschen bemerken diese Abweichungen. Sie bemerken bereits im Alltag, wie sich die Dinge geändert haben.

STANDARD: Können Sie Beispiele dafür geben?

Nasheed: Wir müssen bereits jetzt Bewohner umsiedeln. Der Meeresspiegel steigt. Wir haben 70 Inseln, die mit kontaminiertem Wasser kämpfen. Salzwasser dringt ins Trinkwassersystem ein. Einige Inseln verlieren aufgrund von Erosion an Fläche. Die Sandbewegungen sind betroffen, weil sich die Wellen und Gezeiten ändern. Die Inseln sind jetzt in Bedrohung, nicht in fünf oder zehn Jahren.

STANDARD: Gibt es ein Worst-Case-Szenario?

Nasheed: Wenn wir in den nächsten Jahren keine internationale Unterstützung finden, müssen wir viel, viel mehr Geld für Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich des Klimawandels ausgeben. Diese Anpassungen kosten uns bereits jetzt fast die Hälfte unseres Budgets. Für Maßnahmen gegen die Erosion wie etwa Dämme geben wir fast so viel aus wie für Erziehung und Gesundheit.

STANDARD: Werden die Malediven von der Landkarte verschwinden?

Nasheed: Das wird nicht sofort passieren. Aber wenn es so weitergeht, werden wir in 100 Jahren nicht mehr da sein.

STANDARD: Gibt es schon jetzt Evakuierungspläne?

Nasheed: Ich glaube, dass das nicht so einfach wird. Wir sind seit 5000 Jahren inmitten des Indischen Ozeans. Einige werden gehen, die meisten werden dafür nicht bereit sein. Die Kosten dafür werden sehr hoch werden.

STANDARD: Die Malediven wollen das erste klimaneutrale Land der Welt werden. Auf der anderen Seite werden Millionen für Touristen ausgegeben, Hotels und Flughäfen gebaut. Ein Widerspruch?

Nasheed: Natürlich. Aber man kann nicht einfach sagen, Tourismus und Reisen ist schlecht. Wir brauchen das Geld für die Maßnahmen gegen den Klimawandel. Gleichzeitig müssen wir die Leute dazu drängen, dass sie - selbst beim Reisen - auf erneuerbare Energien setzen und grüne Technologie nutzen. Mit dieser Diskrepanz ist nicht schwer umzugehen. Es wird nur schwer, wenn du über dieses Thema lügst. (David Krutzler, DER STANDARD, 24.5.2012)