Wien - Ein paar Tage wird Europa voraussichtlich auf Österreich warten müssen. Der Nationalrats-Beschluss für den permanenten Euro-Rettungsschirm (ESM), der mit 1. Juli starten sollte, dürfte sich verzögern. Bei den Detailverhandlungen, welche Mitwirkungsrechte die Abgeordneten bei künftigen Rettungsmaßnahmen bekommen, gab es noch keine abschließende Einigung. Für diesen Teil braucht die Koalition die Zustimmung der Grünen.

Für ÖVP-Verhandler Günter Stummvoll wäre es nicht tragisch, wenn der Beschluss erst am 4. Juli erfolgt. Börsenturbulenzen, die es im Vorjahr wegen Verzögerungen bei der Ausweitung des provisorischen Rettungsschirms (EFSF) gab, befürchtet er diesmal nicht. Zur Not könne man aber auch noch eine Sondersitzung abhalten, meint SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann.

Weiter verhandelt

Am Mittwoch wird wieder verhandelt. Im Wesentlichen orientiert man sich an Vorschlägen, die in Deutschland diskutiert werden. Die Eckpunkte liegen dem Standard vor. Demnach hätten der deutsche Bundestag ein explizites Zustimmungsrecht, wenn neue Rettungspakete geschnürt, das ESM-Stammkapital (80 Mrd. Euro) oder das Darlehensvolumen (700 Mrd.) aufgestockt werden.

Die Zustimmung des Haushaltsausschusses ist in Deutschland nötig, wenn der ESM neue Instrumente - etwa direkte Hilfen an Banken - beschließen oder Staatsanleihen von angeschlagenen Staaten aufkaufen will. Damit Interventionen am Anleihenmarkt nicht verpuffen, kann bei diesem Punkt von der Regierung eine Geheimhaltungsklausel geltend gemacht werden, wobei die Parlamentarier aber widersprechen können.

Ob diese Punkte eins zu eins von Österreich übernommen werden, ist noch nicht ganz klar. Die Frage der Vertraulichkeit ist jedenfalls einer jener Punkte, der noch strittig ist. Die Republik haftet beim ESM für 19,5 Milliarden Euro, 2,2 Milliarden müssen in bar bereitgestellt werden. (Günther Oswald, DER STANDARD, 23.5.2012)