Ein eigener Raum für Kinder, einer für Jugendliche zum Tisch- tennisspielen - aber auch ein vergittertes Einzelzimmer für Tobende: In der Wiener Zinnergasse herrscht nicht nur Familienfreundlichkeit.

Foto: Robert Newald

Wien - Beschweren wollte sich niemand an diesem Dienstag, dem Sprechtag von Volksanwältin Terezija Stoisits in der Schubhaft für Familien in der Simmeringer Zinnergasse. Doch das, meinte selbst Josef Zinsberger, Leiter der Wiener Polizeianhaltezentren, deute keineswegs auf Beschwerdefreiheit der Inhaftierten hin.

"Die Familie, die derzeit hier ist, hat andere Probleme", sagte Zinsberger im neonbeleuchteten Besprechungsraum im Souterrain des Anhaltezentrums für Eltern mit Kindern am Rande der Stadt, inmitten einer ausgedehnten Startwohnungsanlage für anerkannte Flüchtlinge. Tatsächlich wird die Familie, die derzeit hier ist, bald schon ganz woanders sein. In spätestens 48 Stunden wird sie Österreich zwangsweise verlassen haben - und derart knapp vor der Abschiebung halten sich Klagen über Missstände in der Verwaltung, dem Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft, in Grenzen.

Kein freiwilliger Weg zurück

Vielmehr steht, wer hierher gebracht wurde, vor den Trümmern seiner österreichischen Existenz, die er oder sie nicht aufgeben wollte: "Alle Angebote, freiwillig zurückzukehren, wurden von diesen Leuten ausgeschlagen", verdeutlicht Zinsberger.

Die vier, für die an diesem Dienstag der Abschiebe-Countdown läuft, drücken sich während des Volksanwaltschaft-Rundgangs im zweiten Stock am Besucherpulk vorbei: ein Mann mit zerfurchtem Gesicht, eine Frau mit schwarzem Kopftuch, ein Mädchen mit verweinten Augen, ein Bub mit gleichgültigem Blick. Die Kinder sind im frühen Teenageralter, also jünger als 18 Jahre.

Das ist der Grund, warum sie und ihre Eltern ihre letzten Tage in Österreich in diesem Haus verbringen - und nicht, wie erwachsene Paare und Alleinstehende ab 16 Jahren, in einem der großen Polizeigefängnisse. Obwohl: "Auch das hier ist Haft und die Kinder sind mitsamt ihren Eltern eingesperrt", betont Stoisits.

Bedürfnissen von Kindern entgegenkommen

Insgesamt würde sie sich für Abzuschiebende eine weniger polizeizentrierte Behandlung wünschen, sagt sie zu Zinsberger und Albert Grasel, der fürs Innenministerium an diesem Sprechtag teilnimmt: "Für mich passt das mehr in den Asylbereich", meint sie. "So dramatisch ist es nicht. Wir haben alle lieb", antwortet der Ministeriumsmann.

Denn das Familienanhaltezentrum sei extra so gestaltet, um den Bedürfnissen von Kindern vor Abschiebungen entgegenzukommen. Der Beschluss, es im Jänner 2011 einzurichten, kam von der damaligen Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) nach den Protesten infolge der Abschiebung der Komani-Zwillinge samt ihrem Vater im Herbst davor.

Im Haus selbst sind der zweite und der dritte Stock von den unteren Gefilden durch eine Metalltür getrennt: ein massives Gesperre, wenn auch knallig-orange lackiert. In den unteren Stockwerken sind Ausgewiesene im gelinderen Mittel untergebracht. Ihr Abschiebungstermin steht noch nicht fest, also dürfen sie das Gebäude nach Gutdünken verlassen, aber müssen täglich ihre Anwesenheit unter Beweis stellen.

Oben im Haftbereich sind die Wände sauber weiß getüncht, vor den Fenstern hängen farbige Vorhänge. Fast könnte man sich in einer Frühstückspension wähnen, wenn da nicht auffallend viele Notalarmknöpfe und Überwachungskameras wären. Die Familien sind in Apartments mit eigener Küche, Klo und Bad untergebracht. Die Fenster sind nicht vergittert, aber man kann sie nur einen Spalt breit aufklappen.

Vergitterter Sicherungsraum

Kindern steht zum Spielen ein eigener, Plüschtier übersäter Raum zur Verfügung. Doch im zweiten Stock gibt es auch einen vergitterten Sicherungsraum, wenn jemand die Nerven verliert. Diesen habe man, seit es das Familienanhaltezentrum gibt, nicht gebraucht, sagt Zinsberger - " und immerhin waren schon 299 Personen hier." Für die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits kann von kindgerechter Unterbringung trotzdem nicht die Rede sein: "Kinder gehören nicht eingesperrt", sagt sie. (Irene Brickner, DER STANDARD, 23.5.2012)