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Präsident Wladimir Putin verkündet die Ernennung von Olga Golodets (stehend) zur Vizepremierministerin.

Foto: REUTERS/Alexsey Druginyn/RIA Novosti

Neue Gesichter in der russischen Regierung: "Ich schätze, drei Viertel sind neue Leute, die erst vor kurzem berufen wurden oder nun erstmals in der Regierung sind", erklärte Premier Dmitri Medwedew bei der Berufung seines Kabinetts. Tatsächlich wurde die Regierung gründlich umgekrempelt. Das Kabinett wurde um zwei Ministerien erweitert, 15 der nun 21 Minister sind neu im Amt, zudem wurden Olga Golodets und Arkadi Dworkowitsch zu Vizepremiers ernannt.

Doch der erste Eindruck täuscht. In vielen Fällen rückten einfach die Stellvertreter auf die Posten ihrer ehemaligen Chefs. Neun der neuen Minister besitzen bereits Regierungserfahrung in der zweiten Reihe. Experten bezweifeln daher, dass die neue Regierung viele Reformen durchführen werde: "Die unpopulären Minister sind gegangen, doch an ihre Stelle sind Leute getreten, die den früheren Kurs fortsetzen werden", sagte Sergej Scharowonkow vom Gaidar-Institut.

Speziell im Wirtschaftssektor wird es Medwedew schwer haben, seine versprochenen Reformen durchzuführen. An den Schlüsselstellen sitzen viele Gefolgsleute Wladimir Putins, wozu speziell die Vizepremiers Igor Schuwalow, Dmitri Kosak und Dmitri Rogosin zählen, die ihre Posten behielten. Der neue Wirtschaftsminister Andrej Beloussow gilt bei Experten zwar als ausgewiesener Fachmann, zugleich jedoch auch als Anhänger einer staatlichen Lenkung der Wirtschaft.

Finanzressort gestärkt

Das Finanzministerium hat seinen Einfluss noch gestärkt. Neben Anton Siluanow, der seinen Posten behauptete, wird sein Vize Alexander Nowak neuer Energieminister. Beide sind Anhänger Alexej Kudrins, den Medwedew im Herbst mit einem lauten Skandal wegen dessen öffentlicher Kritik an seiner Politik als Finanzminister entlassen hatte. Das Gegengewicht zu Medwedew im eigenen Kabinett ist also stark.

Erschwert wird die Aufgabe der Regierung noch dadurch, dass viele Exminister im Zuge der Rochade zwischen Medwedew und Putin in den Kreml gewechselt sind und dort weiter Einfluss haben. Der bisherige Vizepremier Igor Setschin, der als einer der härtesten Kontrahenten Medwedews gilt, wird Vorstandschef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft. Medwedew beauftragte den Rosneft-Aufsichtsrat am Dienstag, Setschin in dieses Amt zu berufen. Zuvor hatte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow, nach dem Schicksal Setschins befragt, erklärt: "Es ist unmöglich, dass Igor Iwanowitsch (Setschin) keine Rolle spielen wird." Setschin hatte vor Jahren die Enteignung des Yukos-Konzerns geleitet. (André Ballin, DER STANDARD, 23.5.2012)