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Der britische Nuklearkomplex Sellafield war Schauplatz schwerer Störfälle: Nun soll dort ein neues Endlager gebaut werden.

Foto: Reuters/Dan Chung

Während anderswo der Ausstieg inszeniert wird, setzen die Briten unverdrossen auf Atomkraft. Einem Gesetzentwurf der konservativ-liberalen Koalition zufolge sollen langfristig festgelegte Strompreise den Bau neuer Nuklearmeiler subventionieren. Zudem plant die Aufsichtsbehörde ONR eine Laufzeitverlängerung für acht bestehende Reaktoren.

Zwar erhalte die Nuklearindustrie "keinen Blankoscheck", beteuerte Energieminister Ed Davey am Dienstag. Für die in den nächsten Jahren nötigen milliardenteuren Bauprojekte müssten aber "Investoren mehr Planungssicherheit bekommen", sagte der Liberaldemokrat.

Vier neue AKWs geplant

Die Regierung redet seit Jahren von einem ehrgeizigen Bauprogramm, dessen Gesamtumfang das Ministerium auf umgerechnet 136 Milliarden Euro schätzt. Allerdings ist von früheren Plänen für zwölf neue Meiler an sieben Standorten nicht mehr die Rede. Seit RWE und Eon im März ihre Pläne für den Bau zweier neuer Reaktoren aufgaben, stehen nur noch vier neuen AKWs zur Debatte, die der EdF-Konzern plant. Die französische Staatsfirma hatte 2008 den britischen Atom-Betreiber British Energy übernommen.

Die Neubauten sollen die 16 überwiegend veralteten und störanfälligen Atomreaktoren auf der Insel ersetzen, die im Volllast-Betrieb knapp 20 Prozent des jährlichen Bedarfs decken. Bis auf den jüngsten, vor 17 Jahren in Betrieb gegangenen Meiler sollten nach bisheriger Planung die bestehenden AKWs in den kommenden 15 Jahren abgeschaltet werden. Einem Bericht des Guardian zufolge stehen die Atom-Aufseher aber einem Plan der Betreiberfirma EdF positiv gegenüber, die ihre Reaktoren weitere sieben Jahre am Netz lassen will.

Kernstück von Daveys Gesetzentwurf ist die Einführung von Garantiepreisen, die der Klimaschädlichkeit von Stromerzeugern Rechnung tragen. Dadurch wird Atomenergie ebenso wie erneuerbare Energien begünstigt. Allerdings: Für die Konsumenten könnte der Strom um rund 250 Euro pro Jahr teurer werden, was über zehn Prozent entspricht. Bisher stritten Regierung und Industrie die Notwendigkeit staatlicher Subventionen für den Neubau von Kraftwerken stets ab, zumal diese nach EU-Vereinbarungen verboten sind. "Wir sprechen von Anreizen, nicht von Subventionen", erklärte der Vorsitzende des Energie-Ausschusses im Unterhaus, Tim Yeo.

Zwei Drittel für Endlager

Umfragen zufolge liegt die Akzeptanz für Atomstrom in der Bevölkerung hoch. In der strukturschwachen Grafschaft Cumbria, Heimat der umstrittenen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield, haben sich die Bürger gerade mit großer Mehrheit für ein atomares Endlager unter Tage ausgesprochen. Das Institut Ipsos Mori ermittelte eine Zustimmung von 53 Prozent; in der unmittelbaren Nachbarschaft Sellafields genießt das neue Atomprojekt sogar eine Zustimmung von mehr als zwei Dritteln.

Die Atomaufsichtsbehörde plant nun die nächsten Schritte, damit bis 2040 eine permanente Lagerstätte gefunden ist. Dort sollen jährlich Stahl- und Kupferfässer mit rund 200 Tonnen hochverstrahltem Abfall tief unter der Erde gebunkert werden. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 23.5.2012)