Schaffen die Trackshittaz den Finaleinzug?

Foto: Marco Schreuder

Die Bühne aus der Zuschauerperspektive.

Foto: Marco Schreuder

Akkreditierte PressevertreterInnen und Fans können im Pressezentrum tippen. Allerdings dominieren manche Länder hier sehr. Österreich liegt hier auf Platz 12 und würde ausscheiden.

Foto: Marco Schreuder

Dienstagabend um 21 Uhr ist es so weit, das erste Song-Contest-Semifinale geht über die Bühne: Lisa Aigner und Teresa Eder kommentieren live für derStandard.at - posten Sie mit!
Einschätzungen und Infos vorab liefert im folgenden unser Mann in Baku, Marco Schreuder, in seinem jüngsten Blog-Eintrag:

 

Damit ganz Europa zur gewohnten Zeit die drei Shows des Eurovision Song Contest sehen kann, müssen sich Menschen in Baku auf nächtliche Sessions einstellen. 21 Uhr Beginnzeit in Wien bedeutet 0:00 Uhr in Baku. Daher ging auch das so genannte "Dress Rehearsal" um Mitternacht über die Bühne. Die Juries schauten sich die Probe auch an und haben ihre Wertungen bereits abgegeben. Ich war auch dabei.

Neuerungen

Die EBU und das Produktionsteam rund um Brainpool aus Deutschland, die auch für den Event 2011 in Düsseldorf verantwortlich waren, haben sich dabei ein paar Neuerungen einfallen lassen: Der Green Room befindet sich mitten im Publikum und die Telefonleitungen sind nicht mehr von Anfang an offen, sondern - wie früher - erst am Ende der Show. Die beeindruckende LED-Wand in Düsseldorf wirkt nun in mehrere Teile zerschnitten und weiß zu beeindrucken. Bainpool sorgt für gewohnte Perfektion und zumeist erinnern die Bilder und Grafiken an Düsseldorf. Verzichten müssen wir zudem dieses Jahr auf Beiträge aus Armenien (bekanntlich im Kriegszustand mit Aserbaidschan) und Polen, dafür kehrt Montenegro in die Eurovisionsfamilie zurück.

Wenig überraschend beginnt und endet die Show mit Folklore. Die Moderation übernehmen Eldar Qasimiov (die männliche Hälfte des letztjährigen Siegerduetts), Nargiz Berk-Petersen und Leyla Aliyeva. Letztere ist die älteste Tochter des Präsidenten. Der Bewerb wird wie das Land organisiert: Als Familienbetrieb.

Die Startliste

18 Lieder treten heute an. 10 davon kommen ins Finale. Wer könnte weiter kommen? Wer muss zittern? Wer wird schon die Heimreise antreten müssen? Wie immer ist der Eurovision Song Contest unberechenbar und Vorhersagen eigentlich unmöglich. Ich versuche es trotzdem.

Und das erwartet euch heute Abend:

1. Montenegro: Rambo Amadeus - Euro Neuro

Ein Trojanisches Pferd und die Eurokrise gleich zu Beginn. Ob es sich hierbei um Rap oder Kabarett handelt, ließ sich bis zuletzt nicht genau beantworten. Viele hier halten es für eine der schwächsten Nummern des Bewerbs. Andere halten es für ein Meisterwerk. Irgendwas zwischen Genie und Wahnsinn halt. Und somit ein legitimer Opener.
Chancen fürs Finale: schlecht

2. Island: Greta Salóme & Jónsi - Never Forget

Aserbaidschan ist bekanntlich das Land des Feuers. Also inszeniert sich Island als Land des Eises. Nur am Ende darf auch noch ein kleiner Vulkan dabei sein. Wer hymnische Musical-Songs mit Geigenklänge mag, wird das lieben. Bei den Fans ein beliebter Beitrag.
Chancen fürs Finale: hoch

3. Griechenland: Eleftheria Eleftheriou - Aphrodisiac

Griechenland bleibt beim üblichen Konzept: Ethno-Dance. Hundert Mal gehörte Dutzendware. Ein dünnes Stimmchen quält sich durch Windmaschinen, goldenen Muscheln und hellenische Beats. Und auch der kurze Sirtaki darf nicht fehlen.
Chancen fürs Finale: Wird vielleicht mehr zittern müssen, als allgemein erwartet.

4. Lettland: Anmary - Beautiful Song

Warum das Lied "Beautiful Song" heißt, weiß hier niemand. Sie erzählt uns, dass sie im Jahr, als Johnny Logan den Song Contest gewann, geboren wurde. Die Kostüme wurden daher aus dem Fundus der 80-er Jahre hervorgeholt. Fünf Frauen quälen sich und sind nach drei Minuten sind sie endlich befreit.
Chancen fürs Finale: gering

5. Albanien: Rona Nishliu - Suus

Wie eine altägyptische Pharaonin wirkt die albanische Sängerin. Böse Zungen behaupten, dass hochauflösende HD-Fernsehgeräte die Filzläuse in der Frisur entdecken könnten. Erwarten Sie sich Drama pur: Schreien, Heulen, Verzweiflung, Weltschmerz. Aber auch eine sehr überzeugende Stimme.
Chancen fürs Finale: eher ja

6. Rumänien: Mandinga - Zaleilah

Der rumänische Beitrag ist der spanischste des diesjährigen Contests und verbreitet Sommerhit-Atmosphäre. Die Balkan-Elemente, die in der ersten Version zu hören waren, sind bedauerlicherweise entfernt worden. Gilt aber trotzdem als "Dark Horse". Macht Spaß und ist fröhlich.
Chancen fürs Finale: relativ hoch

7. Schweiz: Sinplus - Unbreakable

Gitarrenriffs zu Beginn machen gleich klar: Jetzt kommt Indie-Rock. Und Sinplus verstehen es tatsächlich die Bühne zu rocken! Sehr authentisch der Auftritt, ganz ohne Spompanadeln.
Chancen fürs Finale: intakt, aber wird knapp

8. Belgien: Iris - Would You

Ein lieblicher und sehr langweiliger Song. Die Ballade plätschert dahin, geht beim Ohr rein, beim anderen wieder raus und bei Startnummer 9 hat man das Liedchen dann auch schon wieder vergessen.
Chancen fürs Final: schlecht

9. Finnland: Pernilla Karlsson - När jag blundar

Es gibt eine schwedische Minderheit in Finnland und dieses Schwedisch hat einen lustigen Akzent, wie man hier hören kann. Das war es aber auch schon, was an diesem Lied auffällt. Bei Startnummer 10 schon wieder vergessen.
Chancen fürs Finale: schlecht

10. Israel: Izabo - Time

Ich oute mich: Mein Lieblingsbeitrag in diesem Semifinale! Izabo erfreuen das Publikum mit 70-er Jahre Funk-Rock. Die Zeit fließt (zumeist rückwärts) und das Ding macht Spaß. Der Sänger könnte allerdings ein bisschen freundlicher dreinschauen.
Chancen fürs Finale: Bitte, das muss doch weiterkommen! Ich werde aber zittern müssen.

11. San Marino: Valentina Monetta - The Social Network Song (Oh oh - uh - oh oh)

Es gibt Eurotrash, der so schlecht ist, dass man ihn fast schon wieder mag. Dieses Jahr schickt ausgerechnet Ralph Siegel die Lachnummer des diesjährigen Bewerbs nach Baku. Allerdings hat Valentina ansteckenden Spaß dabei. Früher hieß der Song "The Facebook Song", allerdings ist Werbung beim ESC verboten (obwohl man darüber streiten kann, ob das tatsächlich Werbung wäre). Wird die Facebook-Aktien trotzdem weiter in den Keller rasseln lassen.
Chancen fürs Finale: schlecht

12. Zypern: Ivi Adamou - La-La-Love

Der Dancefloor-Kracher 2012 kommt aus Zypern. Sie tritt die Literatur buchstäblich mit Füßen (Beachten Sie worauf Ivi steht!). Billigster Pop, der abgeht und funktioniert. Beim Dress Rehearsal wurden aber auch die stimmlichen Grenzen deutlich.
Chancen fürs Finale: relativ hoch

13. Dänemark: Soluna Samay - Should‘ve Known Better

Jetzt tue ich mir schwer, denn hier liebt jeder dieses Lied, nur ich nicht. Ein gefälliges Popliedchen mit Countryklängen, Seglerkappe, wehendes Gras, wohliges Gefühl. Mehr sag ich jetzt einfach mal nicht.
Chancen fürs Finale: Ich habe echt keine Ahnung

14. Russland: Buranovskije Babushki - Party For Everybody

Udmurtisch feiert seine Premiere beim ESC, und es sind die einzigen Teilnehmerinnen, die westwärts nach Baku fahren mussten. Zudem bekanntlich die ältesten Teilnehmerinnen je. Charmante, Brot backende, süße Omas funktionieren nunmal von Island bis Israel und von Portugal bis Finnland. Aber wollen wir die wirklich als Gewinnerinnen des Bewerbs?
Chancen fürs Finale: Eine Bank

15. Ungarn: Compact Disco - Sound Of Our Hearts

Etwas für Feinschmecker! Compact Disco liefern ausgezeichneten Pop, der nur leider überhaupt nicht eurovisionstauglich ist. Wer Anspruchsvolles mag, wird wohl eher für die Schweiz anrufen. Schade eigentlich.
Chancen fürs Finale: gering

16. Österreich: Trackshittaz - Woki mit deim Pop

Mühlviertlerisch ist neben Udmurtisch die zweite Premiere 2012. Die Landjugend-Rapper aus Österreich haben hier erstaunlich viele Fans gewonnen. Uuh-uuh ist ein in Baku oft gehörter Ruf. Wenn nur die LED-Lämpchen alle funktionieren! Beim Dress Rehearsal streikte wieder ein Kleid.
Chancen fürs Finale: intakt, aber knapp

17. Moldau: Pasha Parfeny - Lauta

Pasha kam als Außenseiter nach Baku und eroberte die Stadt und die Fans. Seine Performance ist ansteckend fröhlich. Das Lied ist kaum einordenbar: Ein bisschen Pop, ein bisschen Folklore und allem voran Bläser. Ein sehr runder Auftritt.
Chancen fürs Finale: könnte klappen

18. Irland: Jedward - Waterline

Wer die Zwillinge, die 2011 in Düsseldorf mit "Lipstick" für Furore sorgten, wieder mit Stehfrisur erwartet, wird überrascht sein. Denn die haben ihre Haare geglättet! Ob das nur ein Probengag war? Es waren sich jedenfalls alle einig: Das Lied 2012 ist schwächer. Doch die Performance haut um. Ich kann jedenfalls bestätigen: Die zwei irischen Zappelphilippe sind wirklich so! Der Auftritt ist authentisch. Ein würdiger Abschluss des 1. Semis.
Chancen fürs Finale: hoch
(Marco Schreuder, derStandard.at, 22.5.2012)