Die Tankstelle als Vollsortimenter: Rewe und Spar sichern sich Mineralölmultis als Partner.

Foto: Standard/Christian Fischer

Schneller Einkauf rund um die Uhr zieht Rewe und Spar in den Bann. Der Wettlauf um Kunden wird an Tankstellen ausgetragen. Mitbewerber klagen über Wettbewerbsverzerrung. Der finanzielle Druck auf die Pächter steigt.

 

Wien - Das Duell Rewe gegen Spar ist neu entbrannt. Schauplatz sind Tankstellen quer durchs Land, bei denen die beiden Handelskonzerne von nahezu uneingeschränkter Ladenöffnung profitieren, und das auch sonntags. Triebfeder der Expansion ist die steigende Nachfrage der Konsumenten nach schnellen Einkäufen rund um die Uhr.

Spar wie Rewe berufen sich auf ihre Rolle als kleine Nahversorger, versprechen breite Sortiment und Preise annähernd auf Niveau ihrer Supermärkte. Mitbewerber sehen darin jedoch unfairen Wettbewerb und ein Unterlaufen der gesetzlichen Öffnungszeiten. Für Pächter sei zudem ob der sinkenden Preise nichts mehr zu verdienen.

Als erste schmiss sich Rewe ins Rennen. Das Unternehmen zog in den vergangenen fünf Jahren bei 130 Jet-Tankstellen ein, 110 davon führen das Label Billa stop & shop. Rivale Spar holte sich Doppler als Partner und startete mit dem größten privaten Tankstellenbetreiber 30 Shops. Ab sofort wird auch mit Shell kooperiert: Unter der Marke Spar express eröffnen bis 2013 gut 50 Länden an den Zapfsäulen.

Rewe wiederum hat mittlerweile bei Eni Austria den Fuß in der Tür. Und ihre Vertriebslinie Merkur engagiert sich künftig bei BP: Erste Pilotprojekte in Wien laufen.

Von Reiseproviant ist längst keine Rede mehr. Bis zu 1800 Artikel sind an den Tankstellen zu haben, darunter etliche Eigenmarken der Ketten. " Das ist eine Verzerrung des Wettbewerbs", sagt Zielpunkt-Geschäftsführer Jan Satek. Abgesehen davon, dass es ihm ein Rätsel sei, wie sich das ganze angesichts der sinkenden Preise für die Tankstellenpächter noch rechne.

Auf der einen Seite die restriktive Ladenöffnung, auf der anderen Expansion durchs Hintertürl - "hier passt was nicht zusammen. Gesetzliche Ladenöffnungszeiten werden ausgehebelt". Er selbst sei von angedachten Kooperationen mit Tankstellen abgekommen.

Von Aushebeln sei keine Rede, fährt Nicole Berkmann, Konzernsprecherin der Spar, dagegen. "Es gibt die gesetzliche Möglichkeit, und wir nutzen sie." An Tankstellen eingekauft wurde auch früher, nun mache halt Spar das Geschäft.

"Auf kleiner Fläche Supermarkt zu spielen, das ist à la longue weder für Pächter noch für Mineralölkonzerne das Gelbe vom Ei", ist sich hingegen Julius Kiennast sicher. Der Großhändler und Bundesobmann des Lebensmittelhandels sieht das Pendel bald wieder umschlagen. "Wenn alle Diskontartikel verkaufen, gibt es mehr Ar- beit, aber nicht mehr Ertrag. Das wird zum Nullsummenspiel."

Flächendeckende Präsenz

Um richtig große Umsätze geht es für den Handel nicht. Der Anteil der Tankstellen am Lebensmittelmarkt macht nur rund zwei Prozent aus. Entscheidend jedoch für Rewe und Spar sei die flächendeckende Präsenz ihrer Marken, sagt ein anderer Tankstellenlieferant. Die Konditionen vieler Mineralölmultis für Handel wie Pächter bezeichnet er als unverschämt.

Auf der Strecke blieben vielfach die Pächter. Sobald einer aus Sicht der Konzerne zu viel verdiene, erhöhten sie die Pacht oder Franchisegebühren. Bei Shell wischt man die Kritik vom Tisch und unterstreicht vielmehr die Chancen für Pächter durch die neuen Handelspartner: Die erste Erfahrung zeige deutlich gestiegene Umsätze und Frequenz an den Tankstellen.

Knapp 1400 der insgesamt 2575 Tankstellen betreiben zusätzliche Shops. Gastronomie, Handel und Service stellen bis zu zwei Drittel ihres Gewinns, Sprit bringt oft nur die nötige Kundenfrequenz. Für Christoph Capek vom Verband der Mineralölindustrie teilt sich die Branche in zwei Sparten: Jene die auf umfassendes Angebot bauen - und jene, die sich auf Tankautomaten beschränken. Auf mehr als 400 stieg deren Zahl im Vorjahr.

Es sei ein Trend der Zeit, dass für viele Dinge, wie auch fürs Einkaufen weniger Zeit geopfert werde, meint Michael Oberweger vom Marktforscher Regioplan. Und dafür sei man in der Regel auch bereit, in Summe ein paar Euro mehr zu zahlen. Kleine Vollsortimenter passten jedenfalls gut in das Konzept der Singles, denen nicht selten eine Pizza am Abend reiche. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 21.5.2012)