Bild nicht mehr verfügbar.

Der Dalai Lama machte es sich bequem: Während des Gesprächs in der Salzburg-Arena zog er sich die Schuhe aus und gab Ratschläge - nicht nur Chinas Führung.

Foto: EPA/BARBARA GINDL

Der Dalai Lama lobt die EU in Salzburg: Im Gespräch mit Ö1-Journalist Michael Kerbler (links) und Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid (rechts) mit Übersetzer Christoph Spitz.

Foto: Matthias Cremer

Im Fokus - Autonome Region Tibet

Es riecht einigermaßen streng nach Räucherstäbchen, und das Merchandising-Geschäft brummt auf den Gängen der Salzburg-Arena am Salzburger Messegelände. Rund eine Stunde nachdem Friedensnobelpreisträger Tendzin Gyatsho vor rund 4500 Menschen seinen Vortrag zum Thema "Weltfrieden und universelle Verantwortung" beendet hat, kann man die CD zum Nachhören bereits käuflich erwerben. 15 Euro kostet der Mitschnitt des Vortrages des 14. Dalai Lama, 20 Euro die DVD dazu.

Von den Besuchern der Veranstaltung Montagvormittag, die vom Tibetcenter und Alpine Peace Crossing (APC) veranstaltet wurde, wird das geistliche Oberhaupt der tibetischen Buddhisten wie ein Popstar empfangen: Standing Ovations, Jubelrufe und der eine oder andere Pfiff.

Von der politischen Dimension, die ein Auftritt des Dalai Lama trotz seines Rücktritts von seinen politischen Ämtern dennoch mitbringt, wollen viele Besucher freilich wenig wissen. Das im Anschluss seiner Rede mit dem Dalai Lama von Ö1- Journalist Michael Kerbler und Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid geführte Gespräch wurde von Unmutsäußerungen begleitet.

Tendzin Gyatsho ergreift die Gelegenheit hingegen ganz gerne und äußert sich deutlich und vor allem ausführlich zur Situation in China, wie sie sich aus seiner Sicht darstellt.

Der Trend der Welt gehe zu mehr Demokratie, zur Freiheit der Rede. Auch Länder wie Nordkorea und China werden sich nicht dauerhaft diesem Welttrend entziehen können.

"Recht auf Freiheit der Information"

In China werde der Ruf nach Freiheit, nach Rechtsstaatlichkeit zunehmend lauter. Die 1,3 Milliarden Chinesen hätten auch "das Recht auf Freiheit der Information". China brauche "einen freien Informationszugang und eine freie Presse", fordert der 76-Jährige.

Darüber hinaus brauche China ein Rechtssystem mit Rechtsstaatlichkeit, auf die sich die Arbeiter und Bauern auch verlassen können: "China gehört dem chinesischen Volk, nicht der Partei." Die Frage, ob die anstehenden Wechsel in der chinesischen Führung diesen Prozess erleichtern würde, lies Tendzin Gyatsho aber unbeantwortet.

Verantwortung für die Serie von Selbstverbrennungen tibetanischer Mönche aus Protest gegen die Politik der chinesischen Führung gegenüber Tibet will der Dalai Lama keine übernehmen. Schließlich habe er ja auch vor einiger Zeit seine politische Verantwortung zurückgelegt. Vonseiten der chinesischen Führung wurde dem Dalai Lama vorgeworfen, die Selbstverbrennungen zu unterstützen, in dem er die Toten als Märtyrer preise.

Man müsse die Ursachen untersuchen, verlangt dagegen der Dalai Lama. Er fordert die Menschen im Saal mehrfach auf: "Fahren Sie hin!" Und fügt unter Kichern hinzu: "Leihen Sie sich Geld von ihren Freunden, das ist sehr, sehr teuer."

Die Proteste und Selbstverbrennungen seien ein Symptom für die fehlerhafte Politik Chinas, in der "die Hardliner" das Sagen haben. Die von China propagierte Einheit könne man aber nicht mit Gewalt erreichen. Gewalt erzeuge Furcht, Angst und Schrecken. "Furcht und Vertrauen", könnten aber nie gemeinsam vorhanden sein, sagt der Dalai Lama, der sich selbst immer wieder als "einfacher Mönch" bezeichnet.

Als Beispiel für die Frustration bei den Tibetern berichtet der Dalai Lama vom Haupttempel in der tibetischen Hauptstadt Lhasa. Während die gläubigen Tibeter im Uhrzeigersinn umwandern, würden die chinesischen Soldaten den Tempel vorsätzlich gegen den Uhrzeigersinn umrunden. Die eigentlichen Separatisten wären also die chinesischen Soldaten.

Vorbild EU

Im Gepäck nach Salzburg hatte der buddhistische Religionsführer viel Lob für die Europäische Union. Hier hätten die einzelnen Länder ihre Unabhängigkeit aufgegeben und eine Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel geschaffen. "Die Europäer sollen das Konzept selbstbewusst weiter in die Welt tragen", wünscht sich der Dalai Lama: "Wenn die Welt Teil eines Wir ist, dann gibt es keine Basis für Kriege." Probleme könnten ausschließlich im Dialog gelöst werden.

Auch für die Tibet-Politik der Europäer hatte der Dalai Lama - diplomatisch formulierte - Anerkennung dabei. Obwohl die Tibeter wenig Materielles anzubieten hätten und das Land weit weg ist, sei das Interesse an seinem Land sehr groß; nicht nur von einzelnen EU-Abgeordneten sondern vom gesamten EU-Parlament. In Salzburg war dagegen vor allem starkes Interesse an Autogrammen des Dalai Lama zu spüren. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 22.5.2012)