Stolz ist man auf seine Kinder: Zumindest wenn Gäste da sind.

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Wenn man in der Situation ist, Kinder zu haben, wo sich die Probleme noch bei dem einen Kind darum ranken, ob das Gacki of the day mit oder ohne Geschrei in die Windel findet, bzw. bei dem anderen, ob es schon alt genug ist, sich Disney's Jungle Book anzusehen, dann träumt man so ein bisschen, wie das wohl sein wird, später, wenn die Kinder erwachsen sind. Werden sie mit einem viel Kontakt haben wollen und man führt quasi immer ein open house für sie? Oder wird man es ungewollt und auch ein bisschen schmerzhaft so ein wenig vergeigt haben, wie mit dem eigenen Elternhaus?

Man beginnt derlei Beziehungen zu beobachten und stellt anhand des Beispieles der Nachbarn fest: einen echten Status quo gibt es nicht, was die Beziehung zu den Kindern betrifft. Da gibt's schon Schattierungen. Die Nachbarn hat man noch nie gesehen, nur deren Stimmen durch die Hecke gehört. Stolz erzählen sie ihren Bekannten beim Nachmittagskaffee, dass der Bub jetzt Sponsion gehabt hat, was war das nur für ein tolles Fest. Und die Tochter, meine Güte, die ist schon seit zwei Jahren fix liiert, also sicher, man hofft jetzt schon ein bisserl auf die Enkerl. Nein, man sei schon stolz, die beiden hätten ihren Weg gemacht. Dann wird angestoßen - klirr klirr- auf die Kinder und die Gesundheit.

1.000 Gedanken am Tag

Boah, denkt man. Was für eine Befriedigung! Die haben es geschafft! Man macht sich doch um so ein Kind an die 1.000 Gedanken am Tag, was heißt, dass man sich an seinem 20. Geburtstag 7.300.000 Gedanken um gemacht haben wird, wenn man Schaltjahre nicht berücksichtigt, was bei zwei Kindern 14.600.000 Gedanken sind. Und dann kommt der Moment der Sponsion oder des neuen Jobs oder der Großelternschaft und man weiß, man hat was richtig gemacht, die haben das überlebt mit einem, die Kinder. Uff!

Tags darauf sind aber die Kinder bei den Eltern zu Besuch. Der Ton ist rau auf der einen Seite (Kinder) und betulich geduldig auf der anderen (Eltern). Die Mutter wird von dem Neo-Magister gegängelt, ob sie die Hemden gebügelt hätte. Der Vater erkundigt sich freundlich, warum denn der Partner der Tochter sich nie anschauen ließe, man würde sich doch freuen. Die Tochter erwidert trocken, der hätte kein Interesse an dem spießigen Getue. Dann schnappt sie die eingepackten Fressalien, nicht ohne ruppig den angebotenen eingefrorenen Kuchen mit "der war letztes Mal schon grauslich" abzulehnen und verschwindet. "Lasst Euch bald wieder anschauen! Und meldet euch doch mal!" rufen die Eltern nach.

Auweh, denkt man. Das ist ja in die Hose gegangen. Diese undankbaren Gfraster, wie reden die mit den Eltern? Die haben ja keine Ahnung von den vielen schrecklichen Nächten, die wegen ihnen zu ertragen waren. Dass sie Nervensägen waren, die einem das Weiße aus den Augen nahmen, wenn man nicht aufpasste, ja, so sind doch Kinder, so süß können die gar nicht sein! Und dann das! Das ist ja grauenhaft. Man ist verstört. Dankbarkeit kann man sich also aufbinden. Man geht ins Haus und isst in vorauseilender Rache das letzte Stück Maoam aus der Lade. Fliegt sicher auf. Wurscht.

Der Sautrottel

Wieder im Garten hört man die Nachbarn über die Kinder reden. "Der Sautrottel soll gleich weiterstudieren, der kriegt ja nie eine Stellung." "Und wenn, dann eine schlecht bezahlte. Der wird dir mit 40 noch die Hunderter aus dem Börsl fladern." "Wahrscheinlich. Wenn die Susi schwanger wird, wander' ich aus. ICH kümmer mich nicht mehr um ein Balg." "Na, der lasst sie vorher eh wieder sitzen, so wie die anderen alle auch, keine Angst."

ACHSO? Moment! Man ist ja auch Kind, bitte wie reden denn die Eltern über einen, wenn man sich das kleine Törtchen von dem vollverplanten Zeitkuchen für sie abschneidet. Man hat ja auch ein Leben, ein wichtiges! Und außerdem - die haben ja keine Ahnung von der Jugend! Und dann ruft man daheim an. Der Anrufbeantworter ist dran. Man brüllt: "Passt auf, wie ihr über uns sprecht. Sonst ziehen wir wieder ein. Denn wir wissen, wo ihr wohnt!"

Und dann geht man neue Maoam kaufen. Soll er es kriegen, das ganze Sackerl meinetwegen, so lange man noch gemütlich symbiotisch lebt. Und noch Millionen Gedanken um ihn vor einem liegen. (Heidi List, derStandard.at, 21.05.2012)