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Christofias: "Wenn die Türkei unser Angebot annimmt, ist Zypern bereit, Kapitel zu öffnen."

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Protest in der UN-Pufferzone gegen die Teilung Zyperns: "Status quo ist unannehmbar."

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Zyperns Präsident Demetris Christofias besucht derzeit Österreich. Zypern übernimmt am 1. Juli den Ratsvorsitz in der EU. Im Vorfeld des Besuchs sprach Markus Bernath in Nikosia mit Christofias.

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Standard: Sie haben angekündigt, keine zweite Amtszeit als Präsident anzustreben. Sie haben als Grund angeführt, dass es keinen Fortschritt in der Zypernfrage gibt. Sehen Sie sich gescheitert?

Christofias: Ich war noch nie ein ehrgeiziger politischer Führer. Die Umstände haben mich dazu geführt, dass ich im Jahre 2007/2008 meine Kandidatur angeregt hatte mit zwei wesentlichen Zielen, nachdem ich enttäuscht gewesen bin über den Stillstand in der Zypernfrage: das erste, dass wir aus der Ausweglosigkeit herausfinden und zu einem Ende der Besatzung und zu einer Vereinigung des Landes und des Volkes kommen. Das zweite Ziel, dass wir eine gerechte Gesellschaft schaffen zum Wohl der einfachen Menschen.

Wenn man verhandelt, braucht man den guten Willen von beiden Seiten. Im ersten Jahr meiner Präsidentschaft hatte ich einen Gesprächspartner, mit dem ich einige Gemeinsamkeiten erreichen konnte. Leider hat Herr Talat, der damals die türkisch-zyprische Gemeinschaft anführte, die Wahlen verloren. Es kam ein neuer Führer, der eine andere Philosophie hatte, eine Philosophie der zwei Staaten. Alles, was wir vereinbart hatten, nahm er zurück. Darin findet er Unterstützung bei der türkischen Regierung. Aus diesem Grund stehen wir nicht vor einer Lösung der Zypernfrage. Habe ich deshalb Misserfolg gehabt? Ich denke, Zypern hat keinen Erfolg gehabt, sich wiederzuvereinigen. Die Geschichte wird entscheiden, wer dafür verantwortlich ist.

Standard: Was bedeutet Ihre Entscheidung? Dass es keine Möglichkeit für eine Lösung der Teilung von Zypern gibt?

Christofias: Meine Entscheidung ist ohne Einfluss auf den derzeitigen Stand der Zyperngespräche. Herr Eroglu hat schon zuvor angekündigt, dass die Verhandlungen unterbrochen werden, weil Zypern am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernehmen wird. So äußert sich auch die türkische Regierung. Dabei wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, sowohl die Verhandlungen in der Zypernfrage, als auch die Beitrittsverhandlungen der Türkei voranzutreiben. Bedauerlicherweise verhält sich die Türkei in dieser Frage arrogant.

Ich habe die Türkei schon mehrfach zu Beweglichkeit aufgefordert. In meiner Rede vor der UN-Vollversammlung habe ich gesagt, dass Zyperns Gasfunde auch den türkischen Zyprioten zugute kommen werden - natürlich mit der Lösung der Zypernfrage. Auch die Türkei könnte davon profitieren, sie antwortet jedoch nur mit Drohungen. Leider, sage ich. Ich habe erwartet, dass mit den inneren Erfolgen der Türkei, mit dem Umstand, dass das Militär an den Rand gedrängt wurde, mit dem Wirtschaftswachstum, mit dem Arabischen Frühling, für den sie als so etwa wie der geistige Vater angesehen wird, - ich habe erwartet, dass die Türkei nach alldem mehr Kompromissbereitschaft in der Zypernfrage zeigen würde. Dass sie die Verletzung des internationalen Rechts beendet. Statt dessen droht sie mit einem "Plan B", bei dem es um die Anerkennung und Aufwertung eines zweiten Staats auf Zypern geht. All dies hat mich dazu geführt, keine neuerliche Kandidatur anzustreben.

Standard: Die türkische Regierung kündigte auch an, die Beziehungen zur EU für die Zeit der zypriotischen Präsidentschaft "einzufrieren". Sie erkennt den Staat nicht an, dem Sie vorstehen.

Christofias: Die Drohungen der Türkei sind nicht etwas, das nur Zypern angeht, sondern alle 27 EU-Mitglieder. Die EU hat der Türkei bereits klar gemacht, dass es keine EU-Staaten erster oder zweiter Klasse gibt, die eine Präsidentschaft führen. Wir schätzen diese Haltung. Es geht um die Verteidigung der Werte der Union. Wenn die Türkei die Beziehungen einfrieren will, so ist das ihre Sache und nicht die Sache Zyperns. Wir können nur wiederholen: Wir sind bereit, guten Willen zu zeigen und auch einige Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zu öffnen.

Ich habe im Sommer 2010 vorgeschlagen, den Hafen von Famagusta (im besetzten Teil der Insel, Anm.) unter der Schirmherrschaft der EU und unter der Verwaltung der UNO für die türkischen Zyprer zu öffnen - im Rahmen der UN-Resolution 550. Die würde die Restaurierung der Stadt und die Rückkehr ihrer Bewohner ermöglichen. Wenn die Türkei dieses Angebot annimmt, ist Zypern bereit, Kapitel zu öffnen. Das ist eine Win-win-Situation. Wir bringen kontinuierlich Vorschläge auf den Tisch, doch die Türkei nimmt sie aus Überheblichkeit nicht an.

Standard: Sie wären bereit, zum Beispiel das Energie-Kapitel zu öffnen...

Christofias: ...unter einigen Bedingungen. Die Bedingung ist, dass die Türkei die Umsetzung der UN-Resolution 550 für die Öffnung der Stadt Famagusta akzeptiert.

Standard: Griechische Zyprioten wäre es dann erlaubt, in die Stadt zurückzukehren?

Christofias: Natürlich. Sonst wäre es keine Win-win-Situation. Nur die Öffnung eines Hafens reicht nicht aus.

Standard: Die Türkei verändert sich, die EU, die arabische Welt. Wie lange aber kann Zypern noch mit seinem Status quo der ungelösten politischen Struktur leben?

Christofias: Wir wollen nicht, dass die unakzeptable Teilung der Insel fortbesteht. Das ist nicht zum Vorteil Zyperns. Deshalb sind wir auch den Weg gegangen zur Weiterentwicklung dieses Staates zu einer Föderation mit zwei Zonen, zwei Gemeinschaften. Wir hatten nie eine Föderation, die Zyprioten haben in allen Teilen der Insel gelebt. Aber diese Föderation muss ein Staat sein, mit einer einzigen Souveränität, einer Staatsbürgerschaft und einer internationalen Persönlichkeit. Das hat Herr Talat, der frühere Führer der türkischen Zyprer, auch akzeptiert. Der Status quo ist unannehmbar. Wir können nicht auch noch unsere Unterschrift darunter setzen.

Standard: Eine der wichtigsten Aufgaben Ihrer EU-Präsidentschaft wird die Finanzplanung der Union von 2014 bis 2020 sein. Wie werden Sie das Geld verteilen?

Christofias: Die Mittel für die soziale Kohäsion sind unsere Priorität. Die neue gemeinsame Agrarpolitik wird eine große Herausforderung sein, aber gemeinsam im Rat werden wird das meistern. Wir müssen für die Menschen in Europa arbeiten, nicht für die Staaten. Diese Art von Demokratie fehlt in der Union. Die EU hat bisher versucht, die Wirtschaftskrise zu überwinden, indem sie die Lasten auf die Schultern der einfachen Leute legte. Sie hat damit nur mehr Distanz geschaffen zwischen der Union und den Völkern.

Standard: Die Wähler in Griechenland haben mit großer Mehrheit gegen den Sparkurs gestimmt. Hatten sie Recht?

Christofias: Ich weiß nicht, wie ich gewählt hätte, wenn ich ein ganz normaler Grieche wäre. Die Situation ist unmenschlich: Leute, die nicht verantwortlich sind für diese Krise, müssen den Preis zahlen. Wir müssen das souveräne Recht der Griechen respektieren, über ihr Schicksal zu entscheiden. Ich würde wünschen, dass unsere griechischen Freunde kühl nachdenken und die besten Entscheidungen treffen. (STANDARD Printausgabe, 21.5.2012)