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Foto: Reuters/KEITH BEDFORD

Die Euphorie rund um den Facebook-Börsengang ist nach dem ersten Handelstag in Ernüchterung umgeschlagen. Die Aktie des weltgrößten sozialen Netzwerks schloss am Freitag nur leicht im Plus. Konsortialführer Morgan Stanley sah sich Kreisen zufolge gezwungen, das Papier mit Zukäufen über dem Ausgabepreis von 38 Dollar zu halten. Nach Einschätzung von Investoren trugen auch technische Pannen dazu bei, dass das Interesse nicht so groß ausfiel wie erwartet. Die Börsenaufsicht will nun die Vorgänge untersuchen, die stundenlang für Verwirrung um Kaufaufträge gesorgt hatten. Doch Experten verwiesen auch auf das hohe Emissionsvolumen sowie auf Zweifel am Geschäftsmodell.

Kein gutes Zeichen

Das Wall-Street-Debüt sei kein gutes Zeichen für die Entwicklung der Aktie in den kommenden Tagen, sagte Channing Smith von Capital Advisors Growth. Der Portfolio-Manager hält selbst keine Facebook-Papiere, wie er sagt. "Andernfalls würde ich auch ziemlich besorgt ins Wochenende gehen."

Plus von 0,6 Prozent

Kurz nach dem Start waren die neuen Dividendenpapiere zunächst bis auf 45 Dollar gestiegen, im Verlauf bröckelte der Kurs aber in Richtung des Ausgabepreises von 38 Dollar ab. Die Aktien beendeten den ersten Handelstag mit einem Plus von 0,6 Prozent auf 38,23 Dollar. Einige Experten hatten Aufschläge von 50 Prozent bei dem weltgrößten Börsengang eines Internet-Unternehmens vorhergesagt. Es gab aber auch mahnende Stimmen.

Zweifel an der Bewertung

So hatten Skeptiker schon im Vorfeld Zweifel an der Bewertung von Mark Zuckerbergs acht Jahre altem Unternehmen in Höhe von 104 Milliarden Dollar angemeldet. Das ist ungefähr so viel wie der Online-Handelsriese Amazon an der Börse wert ist und übertrifft den Marktwert der beiden Computerkonzerne Hewlett-Packard und Dell zusammen. Facebook hat im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 3,7 Milliarden Dollar eine Milliarde Gewinn gemacht - vor allem mit Werbung. Kurz vor dem Börsengang hatte der Autobauer General Motors angekündigt, keine Reklame mehr auf Facebook zu schalten, und damit Zweifel an den Gewinnaussichten geschürt.

"Es genügt eine Papierserviette und ein Bleistift, um sich das auszurechnen", sagte Dave Rolfe vom Facebook-Aktien-Abstinenzler River Park Wedgewood. Es brauche gigantische Wachstumsprognosen, um bei 100 Milliarden Dollar Unternehmenswert zu bleiben oder sogar auf 115 bis 120 Milliarden Dollar zu kommen. "Es gibt natürlich eine Menge Begeisterung und Überschwang, aber offenbar hat der Markt heute mit knallharten Kalkulationen angefangen."

Hat sich Facebook verkalkuliert?

Analysten sehen einen weiteren Grund für die harte Landung auf dem Parkett darin, dass sich Facebook und die Konsortialbanken beim IPO schlicht verkalkuliert haben könnten. Die Preisspanne war zunächst erhöht, der Ausgabepreis am oberen Ende festgelegt und der Emissionsumfang ausgeweitet worden. "Die begleitenden Banken sind im Sinne der Aktienverkäufer gierig geworden", urteilte der Investmentstratege Bill Smead, der keine Papiere gekauft hat. "Sie haben den Preis so hoch getrieben, dass es am ersten Tag keinen großen Auftrieb mehr gab."

Herber Rückschlag für Emissionsbanken

Das überraschend schwache Debüt der Internet-Kontaktbörse am US-Aktienmarkt dürfte vorerst zwar kaum die Geschäftsaussichten des rasant wachsenden Unternehmens beeinträchtigen. Doch für die Emissionsbanken - allen voran Morgan Stanley - bedeutet es einen herben Rückschlag. Einige Marktteilnehmer berichteten, die Bank habe den Kurs mit massiven Stützungskäufen über dem Ausgabeniveau gehalten. Konsortialführer sind dazu zwar nicht verpflichtet, greifen im Zweifel aber auf diese Praxis zurück.

Morgan Stanley nimmt Börsenunterlagen zufolge IPO-Gebühren von 67 Millionen Dollar ein. Nach Reuters-Berechnungen hätte Morgan Stanley aber fast zwei Milliarden Dollar nur dafür ausgegeben, wenn die Bank allein in den letzten 20 Minuten des Handelstages alle bei rund 38 Dollar gehandelten Papiere aufgekauft hätte. Morgan Stanley lehnte eine Stellungnahme ab.

Technische Pannen

Die technischen Pannen beim Sprung aufs New Yorker Parkett beschäftigen nun die US-Börsenaufsicht. Sie leitete am Freitag nach Handelsschluss eine Untersuchung der Vorgänge ein, die Investoren und Broker stundenlang im Unklaren über den Stand ihrer Order gelassen hatten. Die Technologiebörse Nasdaq erklärte, sie wolle die in der ersten halben Stunde des Computerhandels eingegangenen Bestellungen in einem Offline-Verfahren bereinigen. Kreisen zufolge plante der Handelsplatz dafür das Wochenende durchzuarbeiten.

An den US-Börsen häuften sich zuletzt die Pannen: Erst vor einer guten Woche ging an der Nasdaq der viel kleinere Börsengang von Andina Acquisition schief, als eine ganze Serie von Bestellungen zurückgegeben werden musste. (APA, 19.5.2012)