Gleichbehandlung - wehe, wenn es ans Eingemachte geht.

Foto: istockphoto

Diesmal geht es um Frauengleichstellung, also um eine in Österreich ebenso lang diskutierte wie umfehdete Menschenrechtsfrage - eigentlich bereits, seit im 19. Jahrhundert ums Wahlrecht für Frauen gestritten wurde, und um ihr Recht, ihre eigene, familien- und männerunabhängige Stimme zu erheben. Dass in Österreich, wie in ganz Europa und dem "Westen", aufgrund aufklärerischer Traditionen und zähem Einsatz von Feministinnen inzwischen rechtliche Parität existiert und Frauen fast alle Freiheiten haben, wird gern ins Treffen geführt, um den Unterschied zu repressiveren Gesellschaften, etwa im arabischen Raum, zu betonen.

Doch wehe, wenn es ans Eingemachte geht - also an die verbleibenden, gesellschaftlich verankerten Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, mit denen Frauen auch im goldenen Westen und somit in Österreich noch konfrontiert sind! Etwa um Frauenlöhne: Seit Wochen widmen sich hier Journalistenkollegen, vorrangig im profil, den Interpretationsspielräumen der Einkommensstatistik. Frei nach dem Prinzip des Warzenbesprechens versuchen sie, den statistisch offenbaren (wenn auch unterschiedlich "lesbaren") Umstand kleinzureden, dass Frauen in Österreich schlechter als Männer entlohnt werden.

Zwar leugnen sie diesen Umstand nicht völlig ab, doch im Namen der Arbeitgeberschaft, deren Position sie offenbar einnehmen, weisen sie jede Verantwortung dafür zurück: Gebe es einen Konsens darüber, welche Arbeiten als einander gleichwertig zu bezeichnen seien (die dann gleich bezahlt werden müssten), so könnte das dazu führen, dass "Friseurinnen" gleich viel wie "Maler oder Maurer" zu verdienen hätten, schreibt etwa profil-Redakteur Robert Treichler. Doch: "Wie macht man der Friseursalonbesitzern (und -besitzerinnen) eine solche Lohnerhöhung schmackhaft?".

Unbezahlbare Friseurinnen

Ja, wie? Das werden die FriseursalonbesitzerInnen wohl nicht zahlen wollen. Doch was können sie auch dafür, dass sich überwiegend Frauen berufen fühlen, um wenig Geld die Schädelzier anderer zu säubern und zu verschönern, fragt Treichler. Es sei den Arbeitgebern nicht anzulasten, dass Frauen nur in seltenen Fällen Maler oder Maurer werden wollen. Das stimmt, aber was nutzt es - es sei denn als Argument, um sich elegant aus der Affäre zu ziehen?

Bestünde statt dessen ernsthaftes Interesse, dass sich die Lohnschere schließt, müsste genau darüber ausführlich geredet werden: Warum manche Tätigkeiten als "männlich", manche als "weiblich" gelten. Warum Männer wie Frauen es hinnehmen, dass besser bezahlte Arbeiten und aufstiegsträchtigere Ausbildungen nach wie vor einen Männerüberhang aufweisen. Welche Maßnahmen dem entgegenwirken: zur Auswahl stehen etwa positive Diskriminierung sowie Quoten.

Und es müsste darüber geredet werden, wie es dazu gekommen ist, dass als "weiblich" geltende Arbeit weniger wert ist. Wie es möglich ist, dass hier auch heute rasch das Argument des Körperkrafteinsatzes kommt: in einer Zeit maschinell unterstützter Arbeit. Nicht unwichtig wäre auch, offen darüber zu sprechen, was die Schlechterbezahlung mit Frauenverachtung zu tun hat. Wie rasch heißt es, eine Frau sei inkompetent, naiv, ferngesteuert, nur eine "frustrierte Alte"! Die Einstellung von anno dazumal: "Frauen haben den Mund zu halten und sich unterzuordnen, denn ein Mann ist immerhin ein Mann" ist durchaus noch wirksam. Und sie drückt sich u.a. in strukturell verankerter Schlechterbezahlung aus.

Die Bachelor- Falle

Was Österreich betrifft, gibt es in diesem Zusammenhang neue Erkenntnisse, die zeigen, wo Handlungsbedarf bestünde, wenn man nur wollte. Im Schattenbericht von Frauen-NGOs zum offiziellen Report der Republik an die Vereinten Nationen, die über die Umsetzung der Konvention über die Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau" (Cedaw) wacht, ist u.a. auch die Situation an den Unis ein Thema. Etwa, was die Umsetzung des Bologna-Prozesses anbelangt: Bei Befragungen von Studierenden, die vor ihrem Bachelorabschluss standen, habe sich herausgestellt, dass um 15 Prozent weniger Frauen als Männer angaben, auch den Master anzustreben, ist da zu lesen.

Das bedeutet: Mehr Frauen als Männer begnügen sich mit dem niedrigeren Studienabschluss, einem Qualifikationsnachweis, der später im Erwerbsleben nur wenig gilt, wie sich inzwischen herausgestellt hat: Ob ein "Bachelor" im öffentlichen Dienst als akademischer Abschluss gesehen wird, was eine höhere Gehaltseinstufung zur Folge hat - , ist nach ursprünglicher Ablehnung derzeit umstritten.

Hier müsste eingegriffen werden, geschlechterübergreifend, zur Chancenwahrung weiblicher ebenso wie männlicher Bachelor-Studierender. Aber eben auch frauenspezifisch, um einen neuen Gender-Gap auf höherem Qualifikationsniveau zu verhindern. Zwar gaben sich auch früher, vor Bologna, mehr Frauen als Männer mit dem Magister statt dem Doktor zufrieden. Doch "akademisch" - und somit potenziell einkommensfördernd - war der Magister allemal. Der Kurzausbildungs-Bachelor hingegen nicht: Eine Unterbezahlungsfalle mit weiblichem Überhang tut sich auf.

Tolerierte Zweitrangigkeit

Um diese zu entschärfen, muss von Neuem die Frage gestellt werden, was dazu führt, dass Frauen als Männer bereit sind, sich von vorn herein mit dem Zweitrangigen begnügen. Und es müsste die Frage gestellt werden, warum Strukturen wie das Bologna-System, die im Zeitalter des Gender Mainstreaming geschaffen wurden, dieser Zweitrangigkeits-Tendenz de facto entgegenkommen: Wohl deshalb, weil die Ungleichheit zwischen Mann und Frau in unserer aufgeklärten Gesellschaft nach wie vor tief verankert ist. (Irene Brickner, derStandard.at, 19.5.2012)