Die griechische Mittelschicht leert ihre Bankkonten. Das ist nur konsequent, nachdem vorher 42 Prozent der griechischen Wähler links-, bzw. rechtsradikale Parteien gewählt haben, deren Politik es ist, das Land in die Luft zu sprengen. Nachdem sie ihrem berechtigten Zorn über die "alten" Parteien Pasok und Nea Dimokratia Luft gemacht haben, aber mangels tragfähiger Regierung ein weiterer Wahlgang angesetzt ist, erkennen sie, dass eine weitere Stärkung etwa der linksradikalen "Syriza" (17 Prozent) unter dem smarten Scharlatan Tsipras auf Staatsbankrott und Euro-Austritt hinauslaufen muss und versuchen, ihr Geld in Sicherheit zu bringen.

Das ist ziemlich griechisch. Aber auch manche Spanier leeren ihre Bankkonten, nachdem die zweitgrößte Bank teilverstaatlicht werden musste. Die Mittelschicht bangt um ihre Lebensersparnisse.

An dieser Stelle flechten wir ein, dass die Weltwirtschaftskrise 1931 mit dem Run auf die österreichische Creditanstalt begonnen hat. Damals gab es allerdings keine Europäische Zentralbank und keinen Internationalen Währungsfonds, und Europa war tief gespalten. Aber eine Parallele ist auch heute noch gültig: Der Crash ging von einer Bank in einem kleinen, relativ unwichtigen europäischen Land aus.

Niemand weiß, ob ein Crash der griechischen Banken nicht auch die portugiesischen, irischen, spanischen und italienischen Banken anstecken würde. Das ist ein sehr starkes Argument dafür, Griechenland im Euro zu halten.

Ein anderes hat der Doyen der europäischen Finanzjournalistik, Martin Wolf von der Financial Times, geliefert: "Die Eurozone ist entweder eine unwiderrufliche Währungszone, oder sie ist es nicht. Wenn Länder in Schwierigkeiten sie verlassen, dann ist sie es nicht. Dann wäre sie nur ein außerordentlich rigides System fixer Wechselkurse. Das hätte zwei tragische Folgen: Die Leute würden nicht mehr an ihr Überleben glauben, und die wirtschaftlichen Vorteile einer Einheitswährung würden verschwinden."

Geld muss geglaubt werden. Wenn der Glaube an den Euro aufgeweicht wird - und das wäre bei einem Austritts Griechenlands der Fall - dann wird bald überhaupt nichts mehr geglaubt, auch nicht die Sicherheit der Spareinlagen in den europäischen Banken.

Bisher ist das Vertrauen in die europäischen Institutionen, Banken inklusive, und die europäische Politik noch nicht wirklich beschädigt. Trotz der Abhebungen in Griechenland und Spanien, trotz der Flucht der österreichischen und deutschen Mittelschicht in Immobilien, trotz des Aufkommens radikaler Parteien (18 Prozent für Marine Le Pen in Frankreich, die Linksradikale "Syriza" zweitgrößte Partei in Griechenland, Neo-Nazis im griechischen Parlament, die FPÖ bei Umfragen gleichauf mit der SPÖ bei 28 Prozent etc.).

Von Merkel, Hollande, Monti und den anderen, ja auch von Faymann, wäre jetzt ein gemeinsames Zeichen fällig, das das Vertrauen in die europäische Politik wiederherstellt. Der G-8-Gipfel an diesem Wochenende in Camp David sollte einen ersten Hinweis bieten, ob das möglich ist. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 19./20.5.2012)