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Die Türkei hebt die Obergrenze des zulässigen Grundbesitzes von Ausländern von 2,5 auf bis zu 60 Hektar an.

Istanbul - Auf Leuten wie Faisal Ar Rashidi ruhen die Hoffnungen der türkischen Bau- und Immobilienbranche. "Ich überlege, ob ich mir ein Sommerhaus kaufen oder mieten soll", sagt Ar Rashidi, ein Tourist aus Kuwait, der wie andere Araber die Türkei als attraktives Urlaubsland entdeckt hat.

Derzeit verbringen Ar Rashidi und seine Frau ihre Ferien in einem Hotel im Istanbuler Viertel Talimhane, in dem viele Besucher aus arabischen Ländern absteigen. Doch schon beim nächsten Mal könnten sie in den eigenen vier Wänden in der Türkei Urlaub machen - ein neues Gesetz erleichtert Ausländern und insbesondere den Arabern den Immobilienkauf in der Türkei. Der türkische Bausektor erwartet Einnahmen von 20 Milliarden Dollar (15,8 Mrd. Euro).

Interessenten stehen Schlange

Seit das türkische Parlament Anfang Mai das neue Gesetz verabschiedete, warten Makler, Bauunternehmer und potenzielle Käufer darauf, dass die Novelle in Kraft gesetzt wird. Schon vor dem Parlamentsbeschluss zeichnete sich ein Ansturm der Araber in Erwartung der Neuregelung ab, wie Bauminister Erdogan Bayraktar kürzlich berichtete. Insbesondere Interessenten aus Dubai, Saudi-Arabien und dem Iran stehen nach seinen Worten bereits Schlange.

Immobilienverkäufe an Ausländer sind in der Türkei ein heikles Thema. Nationalisten befürchten einen Ausverkauf des Vaterlandes an die Fremden, eine schleichende Kolonialisierung sozusagen. Nun aber setzten sich die Befürworter einer Modernisierung durch. Im Parlament votierten 220 Abgeordnete für die Neuregelung und nur 35 dagegen.

Klausel fällt

Mit dem Gesetz hebt die Türkei die Obergrenze des zulässigen Grundbesitzes von Ausländern von 2,5 auf bis zu 60 Hektar an. Noch wichtiger ist die Streichung des bisher geltenden Prinzips der Gegenseitigkeit: Nur Bürger jener Länder, in denen Türken der Grundbesitz erlaubt war, durften bisher in der Türkei Häuser kaufen. Das hinderte besonders die Araber am Immobilienerwerb. Mit der Abschaffung der Klausel will sich die Türkei nun für Investoren aus diesem Raum öffnen.

Ali Agoglu, Chef eines großen Baukonzerns in der Türkei, erwartet nach eigenen Worten in den ersten zwei Jahren rund 20 Milliarden Dollar an Einnahmen durch arabische Häuslekäufer. Allein sein eigenes Unternehmen rechne damit, Wohnungen und Häuser im Wert von zwei Milliarden Dollar an Araber zu verkaufen, sagte Agoglu der Zeitung "Sabah".

In Talimhane haben ebenfalls die Vorbereitungen auf den erwarteten Boom begonnen. Ugur Pordogan zum Beispiel betreibt in dem Viertel ein Reisebüro, das ganz auf arabische Kundschaft ausgerichtet ist. Mit einer eigens gegründeten zweiten Firma will er nun in den Immobilienhandel einsteigen. "Wir sind schwer in Mode", sagt Pordogan über die Türkei. "Mit Europa geht es abwärts, die Türkei steigt auf. Alle wollen hier investieren."

Sommerhäuser und Hotels

Pordogan teilt die arabische Kundschaft in zwei Gruppen ein. Da sind die Investoren, die insbesondere im Tourismussektor Geld verdienen wollen. "Sie suchen Gebäude, die sie in Hotels umwandeln können. Ode sie kaufen bestehende Hotels oder Reisebüros." Die zweite Gruppe besteht aus Privatleuten wie dem Kuwaiter Urlauber Ar Rashidi: "Die suchen Sommerhäuser oder große Wohnungen für sich und ihre Familien hier in Istanbul oder in Bursa oder Yalova" - zwei Städte am Südufer des Marmarameers, die zu den bevorzugten Zielen arabischer Touristen gehören. Auch Ar Rashidi denkt an ein Sommerhäuschen in Bursa.

Nicht nur Bauunternehmer und Immobilienmakler versprechen sich viel von dem neuen Gesetz. Die türkische Volkswirtschaft insgesamt könnte von der Neuregelung profitieren. Nach einem langen Höhenflug mit einem Wachstum von zuletzt 8,5 Prozent wird sich das wirtschaftliche Kima in diesem Jahr deutlich abkühlen. Die Regierung rechnet mit vier Prozent Wachstum, die Erwartungen des Internationalen Währungsfonds liegen noch deutlich darunter. Milliarden-Einnahmen aus dem Verkauf von Immobilien könnten dabei helfen, dem Land eine "weiche Landung" zu verschaffen und einen katastrophalen Absturz zu vermeiden. (Susanne Güsten/APA, 18.5.2012)