Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kommt nicht zur Ruhe. Die schwere Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen war noch nicht verdaut, da erfuhr sie, dass die Regierungsbildung in Griechenland gescheitert ist und Neuwahlen anstehen.

Dabei könnten nun jene Parteien triumphieren, die ihren harten Sparkurs ablehnen. Merkel ist jedoch der Ansicht, Griechenland solle im Euroraum bleiben und den vereinbarten Sanierungsweg beschreiten. "Die Lage bereitet mir natürlich Sorge", räumte sie dieser Tage ein.

Griechenland ist jedoch nicht das einzige Sorgenkind Merkels. Kurz bevor der neue französische Präsident François Hollande am Dienstag zum Antrittsbesuch in Berlin eintraf, diktierte die SPD-Troika der Kanzlerin ihre Bedingungen für eine Zustimmung zum EU-Fiskalpakt. Auf diese ist Merkel im Bundestag und Bundesrat angewiesen.

Im Geiste Hollandes

Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Exfinanzminister Peer Steinbrück agieren ganz im Geiste Hollandes. Auch sie wollen einen Wachstumspakt, der Merkels Spardiktat flankieren soll. Die drei fordern eine internationale Finanztransaktionssteuer, die striktere Haftung von Banken im Fall von Fehlspekulationen sowie die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, eine europäische Bankenaufsicht und ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit.

Gabriel betont, dass die Vorschläge alle mit Hollande eng abgestimmt seien. Und Steinmeier macht deutlich, dass Merkel sich die Abstimmung über den EU-Fiskalpakt noch im Mai abschminken könne. Für Unmut im Kanzleramt sorgt auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. Er tat in einem ZDF-Interview, was der Kanzlerin verhasst ist, und ließ so richtig Dampf ab. Ziel seiner Beschimpfungen: Umweltminister Norbert Röttgen, der als CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen gescheitert ist.

Röttgens Zögern

Seehofers Tirade war nicht Teil des offiziellen Interviews mit ZDF-Moderator Claus Kleber. Doch am Ende erklärte der CSU-Chef jovial: "Sie können das alles senden." Das tat das ZDF.

Seehofer: "Der Röttgen hat gegen die Frau Kraft mit einem Verhältnis 37 zu 34 (Prozent, Anm.) begonnen. Innerhalb von sechs Wochen ist das weggeschmolzen wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht. Das ärgert mich." Schuld sei Röttgens Zögern, ob er auch bei einer Wahlniederlage nach Düsseldorf gehe.

Seehofer schildert auch, wie er Röttgen ins Gewissen redete: "Lieber Herr Röttgen, das ist nicht Ihre Privatentscheidung, ob Sie jetzt nach NRW gehen oder nicht. Das trifft die ganze Union. Und wenn Sie das nicht korrigieren, dann wird's uns hart treffen.' Und genauso ist es gekommen." (Birgit Baumann, DER STANDARD, 16./17.5.2012)