Buchtipp:
"Ein Garten für das 21. Jahrhundert" von Georg Grabherr, Lois Lammerhuber
Deutsch/Englisch
59 EURO
ab jetzt im Buchhandel und bei der Edition Lammerhuber erhältlich

Foto: Edition Lammerhuber

Streber sind von einer Aura des Unsympathischen umgeben. Meist wirkt es, als ob ihnen alles zufiele, als ob dahinter kein Fleiß stünde und als ob sie kein Verständnis für Mitmenschen haben, bei denen die Dinge nicht so fluffig ineinandergreifen. Das mag ein Missverständnis sein.

Wahrscheinlich brüten Streber stundenlang über Büchern, investieren Disziplin und ernten die Bestnoten als Bestätigung ihres Fleißes. Sie verstecken den bitteren Weg zu ihren Sternen geschickt. Gärten von Strebern erkennt man sofort.

Blühende Kompositionen

Da hat jede Pflanze ihren Platz, die Farben sind perfekt aufeinander abgestimmt und die Blühfolgen auf die Jahreszeiten hin optimiert. Der Wechsel im Zusammenspiel der Farben als Funktionen der Jahreszeiten, die Lichtdauer und Wärme bedingen, ist ihre Pflicht, die aufeinander abgestimmten Blattformen sind ihre Kür. Das können sie. Sie sind auch darin perfekt, um jeden Pflanzenstamm ein wenig aufzukramperln, gelegentlich zu mulchen und mitunter auch Rindenmulch zum Verdrängen des ungewünschten Beikrauts einzusetzen. Kaum zeigt eine Rosenblüte nur noch fünfundneunzig Prozent ihrer maximalen Blütenpracht, werden die Blütenblätter auch schon mit schneller Hand entfernt, und der Trieb wird professionell gekürzt. Der Garten befindet sich in einem ständigen "Habt Acht!".

Wissenschaftliche Ästhetik

Stichwort professionell: Es gibt da einen Uni-Professor auf der Biologie in Wien, der dem Gartenstrebertum ein neues, ein anderes Gesicht verleiht. Streber, da er vor Jahrzehnten sein Studium mit summa cum laude abgeschlossen hatte, um sein Studium weiterhin mit hundert Prozent Hingabe zu betreiben. Als Universitätsprofessor für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie in Wien kennt er sich mittlerweile mit Pflanzen ganz gut aus, speziell wenn es darum geht, einmal so richtig Inventur zu machen und Ökosysteme zu beschreiben. Und genau dieses Talent und auch die ständige Übung im Sehen des Gesamten führte dazu, dass sein eigener Garten auf eine eigene Art und Weise perfekt ist. Nicht streberhaft, wie man es von einem "sommer con gaude"-Professor erwarten könnte, sondern perfekt in ökosystemischer, ästhetischer Hinsicht.

Er lässt in seinem Garten, besser: den Latifundien, den Zufall bedingten Spontaneitäten der Natur ihren Platz. Er gibt dem Wilden Raum, wie es ein Pubertierender braucht: Ja zur Entfaltung, aber bitte mit Grenzen. Über die Dynamik der Grenzen weiß er als staatlich dekorierter Naturschützer Bescheid und greift als Gestalter dann regulierend ein, wenn ein System zu kippen droht. Sein Garten ist am besten als "verwegen" zu bezeichnen. Bilder im Kopf sind schön, ebenso schön sind sie von einem Top-Fotografen und in gebundener Form zu betrachten.

SichBilden in Bildern

Lois Lammerhuber hat sich die Möglichkeit, den Garten ein Jahr lang, Tag für Tag, im Rahmen seiner Veränderung abzulichten, nicht entgehen lassen. Entstanden ist eine wunderbare Kombination. Ein Buch zum Anschauen und Träumen, und ein Buch zum Lesen und SichBilden. Die Texte von Professor Grabherr bergen viel Liebe und Zuneigung zu seinem Ökosystem Garten, zu seinem Königstetter Biotop, und sie sind gespickt mit der Weisheit eines Wissenden, der die Gabe hat, aus Wissen auch vernünftige Gedanken und diese letztendlich zu klaren Sätzen zu formen. Von diesen werden wir Gartler noch lange profitieren, von diesen werden bereits renommierte Gärtner und Gärtnerinnen zehren. Hoffentlich vergessen sie nicht auf das korrekte Zitieren. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 18.5.2012)