Wien - Richter Christian Böhm hat den Verhandlungsplan für den zweiten Bawag-Prozess, der am kommenden Montag fortgesetzt wird, modifiziert. Die Zeugenbefragung von Johann Zwettler, dem unmittelbaren Nachfolger von Helmut Elsner als Bawag-Generaldirektor, wurde auf Mitte Juni verschoben. Der 70-Jährige befindet sich nach Angaben seines Rechtsvertreters zumindest noch diese Woche in Spitalsbehandlung.

Im Unterschied zu Elsner, der den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) um Bekanntmachung seiner gesundheitlichen Beschwerden ersucht hat, will Zwettler sein Leiden nicht öffentlich erörtert wissen. Angeblich sollen ihm primär Depressionen zu schaffen machen. Das Wiener AKH, in dem er sich befindet, hat dazu allerdings eine Informationssperre verhängt.

Zu Zwettlers angeblicher Verhandlungsunfähigkeit - er hat von seiner rechtskräftigen fünfjährigen Haftstrafe aus dem ersten Bawag-Prozess infolge psychischer und orthopädischer Beschwerden bisher keinen einzigen Tag verbüßt - liegen seit kurzem zwei aktualisierte Sachverständigen-Gutachten vor, die angeblich die Haftuntauglichkeit nicht mehr eingeschränkt verneinen. Die Entscheidung, ob Zwettler eine Aufforderung zum Strafauftritt erhalten wird, wird sich allerdings verzögern: Richter Christian Böhm hat beim neurologischen Sachverständigen Heinrich Pfolz ein Ergänzungsgutachten in Auftrag gegeben.

Uni-Bonds und Capper-Investments

Am kommenden Montag wird es im Bawag-Prozess um die Uni-Bonds und Capper-Investments gehen. Dazu werden der glücklose Spekulant Wolfgang Flöttl und Elsners ehemalige rechte Hand, Peter Nakowitz, dem Schöffensenat Rede und Antwort stehen. Ab Dienstag sollen dann die ersten Zeugen vernommen werden.

Ungeachtet Elsners aktuellem Befinden, das sich nach Auskunft seiner Ärzte in Folge eines Bypass-Verschlusses verschlechtert hat, hält Bawag-Richter Böhm offiziell weiter an seinem Plan fest, den Ex-Bawag-Chef ab 29. Mai als Beschuldigten einzuvernehmen. Laut aktuellem Prozessfahrplan soll Elsner am 29. und 31. Mai sowie am 1. Juni befragt werden.

Anwaltsrochaden bei Elsner

Elsner hat statt zwei Anwälten nun nur mehr einen. Tassilo Wallentin hat nach einem halben Jahr die Vertretung Elsners offiziell zurückgelegt, wie er  bestätigte. Die Gründe dafür wolle er nicht nennen, so der Anwalt, der sich auf seine Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem früheren Mandanten berief. Damit hat Wallentin im laufenden zweiten Bawag-Prozess seinen Mandanten kein einziges Mal in der Hauptverhandlung vertreten - weil dieser bisher aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht erschienen ist und in seiner Abwesenheit sein Fall ausgeschieden wurde.

Jürgen Stephan Mertens ist nun der einzige Anwalt Elsners. "Ich empfinde den Mandanten nicht als schwierig", meinte Mertens. Angesichts des langen Verfahrens habe Elsner auch noch gar nicht so viele Rechtsvertreter gehabt. Im ersten Bawag-Prozess war Eslner von Wolfgang Schubert vertreten worden. Dann teilten sich drei Anwälte die Vertretung, schließlich kam vor eineinhalb Jahren Mertens und Andreas Stranzinger und vor einem halben Jahr Wallentin dazu. Elsner würde gerne in die Hauptverhandlung kommen, aber "die Ärzte erlauben ihm das nicht", meinte Mertens. Bei Elsner bestehe durch Stress ein Mortalitätsrisiko, eine belastende Situation könnte also zum Tod führen. (APA/red, 15.5.2012)