Die österreichische Justiz ist nicht imstande, genügend Geschworene für einen Prozess gegen einen bekannten Neonazi zustande zu bringen. Es wird gemutmaßt: Die EDV hat versagt, oder die Post. Oder es hat, so ein Gerichtssprecher, "mit der Person Gottfried Küssel" zu tun. Übersetzung: Die Leute fürchten sich, wurden vielleicht sogar unter Druck gesetzt.

Diese Art von Justizversagen ist nichts Ungewöhnliches mehr. Seit drei Jahren bringt die Justiz keine Anklage gegen Julius Meinl zusammen, behält aber eine Kaution von 100 Millionen Euro ein. Was ist, wenn Meinl nicht angeklagt wird und er auf ein paar Prozent Zinseszinsverlust klagt? Wenn der Staat seine grundlegenden Funktionen - und dazu gehört die Geschworenengerichtsbarkeit - nicht mehr ordentlich wahrnehmen kann, dann weht ein Hauch von Griechenland aus dem Süden herauf.

An griechische Zustände wird man auch beim Arbeitskampf bei der AUA erinnert. Plötzlich melden sich so viele Piloten als "unfit to fly", dass an einem Wochenende 24 Flüge gestrichen werden müssen. Und das soll sich jetzt zu Beginn der Urlaubssaison fortsetzen? So wie in Griechenland letztes Jahr, als nicht nur die Fluglotsen, die Seeleute auf den Fähren und die Taxifahrer alles blockierten? Für die Sorgen der AUA-Beschäftigten kann man Verständnis haben - aber für diese "kreative" Sabotage (statt eines legitim beschlossenen Streiks) schon weniger. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 15.5.2012)