Die Erben des Datenhändlers Wolfgang U. kämpfen gegen Kontosperren und um viel Geld.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Wien - "Schönen guten Morgen - Terminbekanntgabe für neues Treffen erwünscht. Wann und wo? Bitte hierfür mindestens zwei Daten bekanntgeben. Danke im Vorfeld. Gruß aus der CH."

Diese Kurznachricht schickte Wolfgang U. am 30. Juni 2008 an seinen Kontaktmann bei der Steuerfahndung in Wuppertal, Nordrhein-Westfalen. Die SMS gilt vier Jahre später als wichtiges Indiz in einem Strafverfahren, das vier Länder beschäftigt. Es geht um Steuerhinterziehung, ums Bankgeheimnis und um das unterschiedliche Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis der involvierten Länder.

Der Österreicher Wolfgang U. war der Mittelsmann beim Verkauf der Credit-Suisse-Steuer-CD an deutsche Behörden. U. nahm sich am 29. September 2010 in Schweizer Untersuchungshaft das Leben. Ein Teil des Erlöses aus dem CD-Verkauf liegt auf Vorarlberger Konten. U.s Angehörige und die Schweizer Staatsanwalt führen um das Geld und eine in Wien geschlossene Lebensversicherung einen erbitterten Rechtsstreit. In einem Entscheid des Oberlandesgerichts Innsbruck wurde die Beschlagnahme der Gelder vorerst abgelehnt.

Gelder in Österreich

Die vom Gericht an den STANDARD freigegebenen Akten sowie Gespräche mit Angehörigen und Bekannten U.s und involvierten Anwälten erlauben eine Rekonstruktion der Affäre. Die österreichische Justiz spielt im Fall U. eine größere Rolle als bekannt. Und die Akten werfen Fragen für die deutschen Steuerfahnder und ihren Umgang mit Informanten auf.

Wolfgang U. stammte aus einem Dorf in Tirol, wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Er zog in jungen Jahren in die Schweiz, lebte zuletzt in der Stadt Winterthur. Er ist ein Self-Made-Man, führt zuletzt eine Webdesign- und Werbefirma. U. geht regelmäßig ins Fitnesscenter. Dort pflegt er eine lose Freundschaft mit dem Bankangestellten S. L., der bei der Crédit Suisse arbeitet. S. L. hat zu dieser Zeit bereits illegal Daten von der Bank kopiert - mit U. wird die Idee entwickelt, sie zu verkaufen.

Ab 2008 liefert L. Daten an U. Zwischen 1500 und 2000 Kundendaten sollten es am Ende sein. Vom März 2008 bis November 2009 trifft sich U. siebenmal mit Steuerfahndern aus Wuppertal. Der Ton ist amikal, wie eine E-Mail von U. an die Beamten zeigt, nachdem der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück gegen die Steueroase Schweiz gewettert hatte: "Hallo Meister R. Die Tageszeitungen überschlagen sich momentan mit der Aussage des Herrn Steinbrück. Weiß eigentlich euer Finanzminister über unsere qualitativ hochwertigen Daten Bescheid?"

Anfang 2010 ist der Deal perfekt. Um die Zahlung von 2,5 Millionen Euro zu verschleiern, soll das Geld über einen Notar in Deutschland in Tranchen ausbezahlt werden. Am 1. März eröffnet U. ein Konto in Vorarlberg, auf dem er eine Gutschrift über 890.000 Euro erhält. Verwendungszweck: "Erbteilung gemäß Aufteilungsvereinbarung".

Am 11. März will U. einen Betrag beheben. Die Bank verlangt den Erbschaftsnachweis. U. verstrickt sich in Widersprüche, gibt an, der Notar könne die Herkunft des Geldes belegen. Der Notar schickt der Bank ein Schreiben: In dem Brief der "Oberfinanzdirektion Rheinland" bestätigt diese dem Notar die legale Herkunft der "2,5 Millionen Euro" und bittet um Vertraulichkeit. Der Haken: Nachgefragt wurde nach 890.000 Euro, im Brief ist von 2,5 Millionen die Rede. Die Summe wurde damals bereits via Medien als Kaufpreis für die Daten kolportiert.

Die Vorarlberger Sparkasse erstattet Meldung an die österreichische Polizei wegen Geldwäscheverdachts. Das Landeskriminalamt Bregenz nimmt Ermittlungen auf, lässt sich vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen bestätigen, dass das Geld "legal" sei.

Ende März 2010 wird in Vorarlberg trotzdem bereits ermittelt, ob U. der Schweizer Datendieb ist. U. wird von der Polizei als Beschuldigter geführt und vernommen, seine Konten werden gesperrt. Interpol Wien machte eine Meldung nach Bern - die Schweizer, die bisher gegen unbekannt ermittelt haben, sind alarmiert. Ab Frühjahr 2010 sitzt die österreichische Justiz zwischen den Stühlen: Nach einem deutschem Rechtsgutachten handeln die Steuerfahnder und U. legal. Das Interesse das Staates am Steuergeld wiege schwerer als der Datenklau. In der Schweiz ist es ein Fall von Wirtschaftsspionage, unbefugter Datenbeschaffung und Verletzung des Bankgeheimnisses.

Ab Sommer 2010 geht es Schlag auf Schlag: U. wird in den Schweizer Akten ab August als Verdächtiger geführt. Am 14. September wird er in seinem Büro in Winterthur verhaftet. Nach seinem Selbstmord wird bei ihm ein Abschiedsbrief gefunden, U. spricht darin davon, seine Familie von der Scham seiner Tat befreien zu wollen. Testamentarisch vererbt er sein Vermögen seinem Vater; die Familie geht gegen die Kontosperren in Österreich, Tschechien und der Schweiz vor.

Die österreichischen Gerichte müssen dabei über heikle Rechtsfragen entscheiden: Etwa darüber, ob der Datenklau auch in Österreich strafbar wäre - denn nur dann darf Rechtshilfe geleistet werden. Die Anwälte machen geltend, dass es sich beim Klau der Daten um ein "politisches Vergehen" handelt, bei dem keine Rechtshilfe geleistet werden darf.

Beschlagnahme abgelehnt

Im September 2011 weist das Landesgericht Feldkirch den Antrag des Staatsanwalts auf Beschlagnahme der Gelder ab. Die Schweizer Behörden waren dem Gericht zu schweigsam; es bemängelt, dass beim Rechtshilfeersuchen zu wenig Informationen gegeben wurden, welcher Straftat U. genau bezichtigt werde. Die österreichische Polizei habe zudem eigenes Ermittlungswissen verwendet. Da es sich inzwischen um einen reinen Rechtshilfefall handle sei das unzulässig.

Die Schweiz hat inzwischen Material nachgereicht: Dokumente, die den Kontakt zwischen U. und den deutschen Steuerfahndern belegen. Bei Hausdurchsuchungen bei U. wurden in seinem Handy Nummern der deutschen Steuerfahnder, SMS und Mails entdeckt. Wie sich aus dem Material zeigt, wurde der Deal nicht gut verschleiert. So hatte U. mit den deutschen Beamten per Fax Kontakt. Über eine Google-Abfrage fanden die Schweizer Ermittler heraus, dass die Nummer einem dienstlichen Faxanschluss im Finanzamt für Steuerstrafsachen in Wuppertal zuzuordnen ist. Im Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen heißt es dazu, dass niemand sich gedacht habe, dass die Affäre diese Ausmaße annimmt, darum sei man nicht vorsichtiger gewesen. Die Schweizer verfügen zudem über interne Aktenvermerke der Wuppertaler - diese sollen sie bei U. selbst konfisziert haben.

Ende März 2012 hat das Oberlandesgericht Innsbruck neuerlich über Einziehung der Gelder entschieden. Auch sie hat die Beschlagnahme abgelehnt - allerdings wegen Formalmängeln. Den Einwand des "politischen Vergehens" wies das Gericht ab und sprach aus, dass Steuerklau in Österreich strafbar sei. Damit beginnt das Verfahren erneut.

Die Anwälte von U. setzen auf weitere Einsprüche und auf den im April von Finanzministerin Maria Fekter geschlossenen österreichisch-schweizerischen Steuerdeal zur Legalisierung von Schwarzgeldern. Im Vertrag steht, dass alle anhängigen Strafsachen im Fall der Steuer CDs eingestellt werden.

Ob das auch auf Beschlagnahme der Gelder zutrifft ist offen. Der Vertrag soll Anfang 2013 in Kraft treten. (András Szigetvari, DER STANDARD, 15.5.2012)