Wien - Kein Grund zur Aufregung, aber einer für sorgfältige Überwachung der "Szenerie" bei Stechmücken und Gelsen: Nach dem Auftauchen der durch Gnitzen übertragenen Blauzungen-Krankheit (Bluetongue Disease) bei Nutztieren hat die AGES in Koordination mit dem Gesundheitsministerium das Insekten-Monitoring in Österreich verstärkt. Fazit laut Ulrich Herzog, Leiter des Bereichs Verbrauchergesundheit im Gesundheitsministerium, und Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin für Öffentliche Gesundheit: Exotische Stechmücken tauchten bisher im österreichischen Monitoring nicht auf, das West-Nil-Virus aber war schon da - ist jedoch offenbar wieder verschwunden.

Viren, die auch Menschen befallen

Seit 2011 werden von der AGES an 37 Standorten entlang der Flüsse und der österreichischen Seen Stechmücken beobachtet. Während Bluetongue- und das Ende 2011 in Teilen Europas aufgetauchte Schmallenberg-Virus ausschließlich Nutztiere krank machen, können weltweit auf dem Vormarsch befindliche Chikungunya-, Dengue- und West-Nil-Virus auch beim Menschen zu erheblichen Krankheiten führen. Pamela Rendi-Wagner: "Das West-Nil-Virus hat in New York in zehn Jahren rund 30.000 Erkrankungsfälle verursacht. In Griechenland gab es 2010 mehr als 200 klinische Fälle, in Bukarest im Jahr 1996 insgesamt 393 Erkrankungen mit 17 Toten, in Wolgograd (1999, Anm.) 826 Erkrankungen mit 40 Todesfällen und in Nordgriechenland im Jahr 2010 262 Erkrankungen und 35 Todesfälle. In Ungarn erkrankten im Jahr 2011 drei Personen, in Norditalien 14 Menschen."

Übertragen werden die West-Nil-Viren durch Gelsen. Wobei dafür keine "exotischen" Moskitos als Wirt notwendig sind. Pamela Rendi-Wagner: "Die Viren können sich auch in unseren 'normalen' Gelsenpopulationen etablieren. Die Infektion verläuft bei 20 Prozent der Betroffenen mit Symptomen. Der größte Teil der Fälle ist unproblematisch, doch bei 0,7 Prozent kann es zu schweren Verläufen mit Lähmungserscheinungen, Meningitis oder Enzephalitis kommen. Die Mortalität bei den schwersten Verläufen liegt bei zehn Prozent. Ursächliche Behandlung gibt es keine. An einer Impfung wird gearbeitet, das dürfte aber noch Jahre dauern."

Das natürlich Reservoir der West-Nil-Viren sind Vögel. Herzog: "Vögel sterben daran. Wir haben das Virus 2008/2009 in toten Tieren nachgewiesen." Auch bei Patientinnen in Österreich konnten Antikörper nachgewiesen werden. Rendi-Wagner: "An unserem Referenzzentrum an der Abteilung für Virologie der MedUni Wien haben die Experten nachträglich Blutproben von Patienten mit Virus-Erkrankungen des Zentralnervensystems auf West-Nil-Virus-Infektionen untersucht. Demnach wurde eine Infektion mit dem West-Nil-Virus bei Blutproben zwei Patienten im Jahr 2009 und bei einem aus dem Jahr 2010 entdeckt. Im Jahr 2011 waren alle Proben negativ."

Kein Anlass zur Besorgnis

Die Schwierigkeit: Das West-Nil-Virus gehört wie das FSME-Virus zu den Flaviviren (auch die Usutu- und Dengue-Erreger). Die Symptome ähneln FSME. Die primären Labortests werfen nur Vorhandensein oder Absenz einer Infektion mit Flaviviren aus. Daher könnten Erkrankungsfälle einfach als "FSME" durchrutschen.

Freilich, zu Besorgnis gibt es derzeit keinen Anlass. Pamela Rendi-Wagner vom Gesundheitsministerium: "Selbst wenn es sporadisch zu Fällen käme, heißt das nicht, dass sich das Virus in Österreich etabliert. Bei den jetzt nachgewiesenen Erkrankungen aus den Jahren 2009 und 2010 ist auch nicht klar, ob die Betroffenen nicht die Krankheit zum Beispiel aus Nordgriechenland oder anderen Regionen, wo das West-Nil-Virus vorkommt, eingeschleppt haben."

Grund für Ausbreitung von "exotischen" Insekten

Jedenfalls sind der oft genannte Klimawandel oder große Wanderungsbewegungen von Insekten nicht der alleinige Grund für sich verändernde Ausbreitungsgebiete der Krankheitserreger bzw. der Mücken und Insekten. Herzog: "Am ehesten sind dafür die globalisierten Transportwege von Waren etc. verantwortlich." Mit dem Flugzeug reisen auch Moskito & Co. leicht binnen Stunden rund um die Welt, und wenn die Umgebung passt, können sie sich ansiedeln. 

AGES und Gesundheitsministerium haben jetzt einen Informationsfolder zum Thema West-Nil-Virus gestaltet. Es geht dabei um Routine-Maßnahmen bei Gelsenplage: Repellents, Kleidung, Moskitonetze an Fenstern und Türen, Abdecken von Wassertonnen etc. Aufmerksam sollten Reisende und deren Ärzte nach der Heimkehr nach Österreich sein - so verdächtige Symptome aufgetaucht sind. Das gilt speziell natürlich für die Sommermonate. Die Inkubationszeit für West-Nil-Infektionen beträgt nämlich zwischen zwei und 14 Tage. (APA, 14.5.2012)